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Die Milliarden zählen, nicht der Mensch: Der Mammon ruft!

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Um den 8. Dezember wird seit jeher gestritten. Viele Jahre ' schon versuchen Wirtschaftskämmerer und ÖVP-Politiker den Marienfeiertag abzuschaffen. Weihnacht ist für sie vor allem eines: ein Geschenk des Himmels. Denn das ganze Jahr über kann angeblich nicht so viel Geld geschöpft werden, wie in der „stillsten” Zeit, im Advent. Christi Geburt ist für die Mar-ketingabteiluijgen großer Handelshäuser ein Glücksfall ohnegleichen, eine genialere Werbestrategie für ihre Produkte könnte es nicht geben Einzig der Mammon spielt für sie die Orgel. Da will niemand zurückstehen, denn der Teufel schläft nicht, vor allem nicht jenseits der Grenzen. Also bleibt nur eines: Auf-sperren, bis der Rollbalken bricht und die Handelsangestellten vor Arbeitsüberlastung zu stöhnen und zu jammern beginnen. Letzteres spielt aber keine große Rolle, solange der Rubel - pardon, der Schilling - rollt.

Bei soviel Cash wundert nicht, daß auch etlichen ÖVP-Politikern die Augen zu leuchten beginnen wie elektronische Registrierkassen. Die Milliarden zählen, nicht der Mensch. Proteste nützen da gar nichts, nicht von der Gewerkschaft und nicht von der Kirche. Hat man einmal Gold glänzen gesehen, will man immer mehr. Also weg mit den Forderungen der Gewerkschaft der Privatangestellten, die bloß das Produkt verteuern und nicht an den Nutzen für den Arbeitgeber denken wollen. Für die GPA war es nicht leicht, einen Kompromiß für einen gangbaren Weg sowohl für die Handelsangestellten als auch für die Konsumenten und die Wirtschaft zu erarbeiten.

Trotzdem erscheinen den Säulenheiligen des „unbegrenzten Konsumrausches” angesichts der winkenden Gewinne die keineswegs überzogenen Forderungen der GPA wie ein Sakrileg. So wollen sie keineswegs einen zusätzlichen p freien Tag für die dauergestreßten Handelsangestellten akzeptieren. Die Gewerkschaften sollen wieder das sein, was sie ihrer Meinung immer schon waren: Wirtschaftsschädlinge, die einem nur das Geschäft versauen wollen. Nur sollten sich alle Kritiker hinter die Ohren schreiben: Die Gewerkschaft hatte immer ein großes Interesse an einer prosperierenden Wirtschaft, und Handelsangestellte sind Teil dieser Wirtschaft. Bei zwei Monaten höchster Beanspruchung vor Weihnachten ist ein freier Tag als Ausgleich für den Weihnachtsstreß mehr als gerechtfertigt.

Den Handelsunternehmen wäre anscheinend lieber gewesen, den Feiertag überhaupt abzuschaffen, um endlich Waffengleichheit mit dem benachbarten Ausland herzustellen. Doch sie haben die Bech-nung ohne den Wirt gemacht, und der ist neben den Handelsangestellten die Kirche. Es ist überaus erfreulich, daß hohe Würdenträger auch die Sorgen und Anliegen der kleinen Angestellten neben die berechtigten religiösen Ansprüche stellen.

Und eines verweigern viele Wirtschaftstreibende hartnäckig anzuerkennen: Der Einkäufsbummel Hunderttausender Österreicher ins benachbarte Ausland hat viel mehr mit dem besseren Angebot und günstigeren Preisen jenseits der Grenzbalken zu tun als mit Öffnungszeiten oder Feiertagsruhe.

Für Männer des „Fortschritts”, wie Wirtschaftsminister Ditz, ist das kein Hindernis, mit dem Zaunpfahl zu winken. Flugs beabsichtigte er einen Initiativantrag im Parlament zur Abschaffung der Arbeitsruhebestimmungen für den 8. Dezember zu stellen, obwohl eine sozialpartnerschaftliche Einigung durchaus möglich wäre. Das ist natürlich mehr als nur Theaterdonner und läßt die Ditz'sche Taktik offen zu Tage treten: die generelle Abschaffung von Feiertagen. Da hört sich der Spaß auf. Der offene 8. Dezember ist der erste Schritt, keine Feiertage der zweite und die Deregulierung der Arbeitszeiten der dritte. Apropos dritte, irgendwie schaut mir diese Schrittfolge aus wie der Weg in die dritte Bepublik. Naja, christlich und sozial muß in Summe nicht unbedingt christlichsozial ergeben.

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