Wer darf sich als „christlich“ bezeichnen?

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Keine Partei hat ein Monopol auf christliche Werte. Entscheidend ist, inwieweit es wem gelingt, diese in die politisch-gesellschaftliche Wirklichkeit einzubringen. – Eine Replik auf Hans Winkler.

Nach Stefan Wallners und Kurt Remeles Antworten auf Christian Mosers Kritik an den Grünen versuchte Hans Winkler, Moser Schützenhilfe zu leisten, indem er unter anderem dessen Argumente in nüchterner Form neuerlich eingebracht hat („Ein verdächtig gutes Gewissen“; Nr. 8, S. 12).

Winklers Botschaft scheint einfach zu sein: Den Anspruch auf Basis christlicher Grundwerte zu handeln, dürften nur jene Parteien erheben, die die gesamte kirchliche Lehre vertreten wollen. Dies sei Anliegen der Christdemokraten, die aber mit jenem Anspruch scheitern müssten, weil er realpolitisch nicht umsetzbar sei. Mit diesem Argument spricht er den Grünen jegliches Recht ab, sich in Einzelfragen auf das christliche Wertesystem zu stützen. Wer nicht dem Sachzwang der Regierungsverantwortung unterworfen sei, könne leicht reden und solle dies daher gar nicht tun. Dieser Gedankengang pervertiert den wiederholt eingemahnten Auftrag der Kirchen an ihre Laien, sich politisch zu engagieren.

Katholiken mischen sich ein

Die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) nimmt ihren Auftrag, als kirchliche Laienorganisation christliche Werte in die politische Auseinandersetzung einzubringen, wahr; und sie tut das, ohne in Anspruch zu nehmen, für alle Fragen die einzig richtigen und umfassenden Lösungsmodelle parat zu haben. Dazu gehören unter anderem konkrete Vorschläge zur Bildungsgerechtigkeit und zur Verteilungsgerechtigkeit, das Einmahnen, in der Asyldebatte die Würde und den Wert jedes einzelnen Menschen zu achten u. v. m. Dass die KAÖ als Dialogpartnerin im politischen Diskurs erwünscht ist und gebraucht wird, zeigt sich sowohl in der immer wiederkehrenden Aufforderung der Bischöfe, als Laienorganisation Kirche in Gesellschaft und Politik zu vertreten, sowie in den vielen Reaktionen einzelner Politikerinnen und Politiker. Höchst an der Zeit ist ein breit angelegter Dialog zur grundsätzlichen Bestimmung des Verhältnisses von Politik zum Christentum bzw. zu Christen heute. Zu diesem Dialog lädt die KAÖ ein, und sie schließt niemanden davon aus. Das wiederum trifft einen schmerzenden Nerv bei jenen, die wie Winkler kirchlich-politisches Engagement ausschließlich einer Partei zugeordnet sehen wollen.

Auch Hans Winkler wird nicht müde, die ÖVP als die einzige Partei zu postulieren, die sich mit Recht darauf berufen dürfe, auf Basis von christlichen Werten zu handeln und zu entscheiden. Als deutlichstes Erkennungszeichen dafür weist er auf die von ihm wahrgenommene Demut hin, die allen Vertretern der Volkspartei zu eigen sei (an welchem konkreten Verhalten das sichtbar werden sollte, bleibt offen) – im Gegenteil zu allen anderen politisch Verantwortlichen. Das damit verbundene Demutsverständnis wäre ein wahrhaft zu diskutierendes.

Bibel und Lehre – Boden und Früchte

Ich denke, Winkler tut der ÖVP keinen Gefallen damit, sie als alleinige Hüterin des christlichen Wertesystems und der kirchlichen Lehre zu verstehen. Namhafte ÖVP-Politiker praktizieren das Gegenteil – man denke nur an Andreas Khol und seine Laieninitiative. Auch die Volkspartei muss es sich gefallen lassen, kritisch hinterfragt zu werden – gerade aus kirchlicher Sicht und gerade weil sie sich als politischer Pate christlicher Werte darstellt.

Die wirklich spannende Frage ist: Woran wäre die Richtungsweisung durch christliche Grundwerte erkennbar? Katholische Soziallehre, Enzykliken und Hirtenbriefe sind wertvolle Bezugspunkte – Winklers Kenntnis davon scheint eine eingeschränkte zu sein (und katholische Werte verlieren ihre Berechtigung nicht, wenn sie auch von der politischen Linken vertreten werden). Es könnten auch unschwer biblische Zitate für alle möglichen politischen Anliegen aufgezählt werden. Es geht jedoch immer um die Gesamtbotschaft des Evangeliums: um gutes Leben für alle Menschen (ohne Ausgrenzung) und um Besitzteilung, um Verantwortung für die Schöpfung und um bedingungslose Wertschätzung jedes Menschen. Daran ist zu messen, ob politisches Handeln christliche Werte in gesellschaftliche Realität einzubringen vermag. Der Name einer Partei ist nur Chiffre, ein Parteiprogramm ein Boden – aber das, was wächst, ist für die Menschen von Bedeutung. Wir nähren uns nicht von der Erde, sondern von deren Früchten.

* Die Autorin ist Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreichs und Leiterin eines Ausbildungsinstituts für Erwachsenenbildung des „Forum katholischer Erwachsenenbildung“.

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