In und um Jugoslawien tut sich was. Aus dem Blutmeer des Krieges lugt ein zartes Pflänzchen des Friedens hervor - auch wenn es schon wieder stark in Gefahr ist. Und am kommenden Sonntag werden die Abgeordneten zum EU-Parlament gewählt. Zufall? Politische Regie? Aber wenn eine solche Herr über Zeit und Inhalt wäre, hätte man den Wahnsinnskrieg wohl schon viel früher zu Ende gehen lassen. Also wollen wir die am nächsten liegende Schlußfolgerung ziehen: Die wichtigsten Entscheidungen fallen heute nicht mehr auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene.
Wenn es gut geht, so prophezeien die Meinungsforscher, werden wir eine Wahlbeteiligung von gut 60 Prozent erreichen - erheblich weniger, als bei Nationalrats- oder auch Landtagswahlen. Diese Diskrepanz zwischen geringem Interesse und großer Bedeutung ist in allen Mitgliedsländern der EU feststellbar. Das Hineinwachsen der Bürger und Bürgerinnen Europas in die größere Veranwortung ist ein Prozeß, kein isoliertes Ereignis. Wir sollten aber alles tun, um diesen Prozeß zu beschleunigen.
Daß uns die Alternative Krieg oder Frieden in Europa nicht gleichgültig lassen kann, liegt auf der Hand. Auch die angestrebte Erweiterung der Europäischen Union läßt Österreicherinnen und Österreicher nicht gleichgültig. Sie wird kommen, und sie muß kommen - in unserem ureigensten Interesse. Denn je weiter die Grenze der EU nach Osten verschoben wird und je weiter Österreich dorthin rückt, wo es auch geographisch und geopolitisch hingehört, nämlich in die Herzmitte Europas, um so sicherer wird auch unsere Zukunft sein.
Hier ist noch viel Bewußtseinsbildung notwendig. "Das kränkt uns schon," meinte jüngst Polens ehemaliger Außenminister, der große Österreich-Freund Wladislaw Bartoszewski, "daß Österreich unsere NATO-Mitgliedschaft bejaht, damit wir es im Ernstfall mit verteidigen, aber unseren EU-Beitritt blockiert." Er hat recht. Und Erhard Busek hatte recht, als er in seinem wichtigen Buch "Mitteleuropa" der Jugend die Chance zusprach, "sich auf diesem Kontinent eine neue Welt zu bauen." Ohne Jugend ist Europa tot. Aber ohne Europa hat auch die Jugend keine Zukunft.
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