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„Wir werden in der Union nicht untergehen”
Eine Zweidrittelmehrheit ist etwas Außerordentliches.” Ganz beeindruckt Vom Ausdruck des Willens der Österreicher, der Europäischen Union beizutreten, läßt Österreichs EU-Botschafter in Brüssel, Manfred Scheich, im Gespräch mit der FURCHE seine Gedanken Be-vue passieren.
„Das Ergebnis des EU-Beferen-dums in Österreich vom 12. Juni bestätigt nach außen etwas, das wir verbal und diplomatisch immer beansprucht haben: Die Österreicher haben - geschichtlich dazu konditioniert - immer ein bestimmtes Engagement für den Gedanken der Integration entwickelt. Das war ein dauernder wichtiger Grundgedanke, eine politische Grundwelle - und nun kam die Probe aufs Ejcempel.”
Scheich vergißt in diesem Zusammenhang nicht die vielen notwendigen Überzeugungsgespräche „im heutigen für den Integrationsgedanken schwierigen Klima”. Die Integrationsidee erlebe zur Zeit eine deutlich schwierige Phase: „Ihr bläst ein bestimmter Zeitgeist entgegen. Integration stand immer für Öffnung und groß, während ein gewisser Zeitgeist eine Bückzugsmenta-lität in eine kleine, vorgeblich heile, geschützte und verständliche Welt signalisiert.” Für Botschafter Scheich ist das eine Reaktion auf die moderne Welt und deren bedrohliche Komplexität. Auch sei der „große Föderator” der Integration, die gemeinsame Bedrohung, mittlerweile weggefallen (FURCHE 3/1994).
Österreichs Anspruch
Auf diesen scharfen Wind, der der Integrationsidee ins Gesicht wehe, habe die EU - so Botschafter Scheich - mit der Förderung des Be-gionalismus und mit der Einführung des Subsidiaritätsprinzips reagiert (was kleine Einheiten lösen können, brauchen große nicht zu übernehmen, umgekehrt springt die größere politische Einheit helfend ein bei Problemen, die allein nicht mehr gelöst werden können).
Trotz dieses Gegenwinds sei Österreich dem Europagedanken immer verbunden gewesen. Imagemäßig, ist der EU-Botschafter überzeugt, „hat dieses Besultat unser europapolitisches Prestige, Gewicht und Ansehen erhöht. Wir haben jetzt einen Trumpf, mit dem wir real in die Gemeinschaft und ihre Institutionen eintreten können. Außerdem haben wir gezeigt, daß wir den Anspruch erheben, europapolitisch genau gehört zu werden.” •
Die Wirkung auf Österreichs Nachbarstaaten ist unverkennbar. Pavel Jajtner, tschechischer Botschafter in Wien (Seite 1) registriert mit Wohlwollen das überzeugende Ja Österreichs zur Europäischen Union und vergleicht es mit Abstimmungen in anderen Staaten, „wo die Mehrheit nur im statistischen Bereich lag”. Auch die Einigkeit von zwei programmatisch unterschiedlichen Parteien in einer für das gesamte Volk wichtigen Entscheidung wird von Beobachtern hervorgehoben. Die von ÖVP und SPÖ dokumentierte Einheit der Staatsräson wegen „imponiert” beispielsweise dem Österreich-Freund Wladyslaw Bartoszewski.
Auch der Wille der Österreicher zur Veränderung wird positiv beurteilt. Ungarns Botschafter Denes Hunkär hat in Vorträgen den Österreichern deutlich eingeschärft, sie sollten ja nicht glauben, daß bei einem negativen Ausgang alles so gut weiterlaufen werde wie bisher.
Österreich wird in der EU nicht untergehen. EU-Botschafter Scheich bezeichnet diese Unkenrufe als Unsinn. „Untergehen wird, wer draußen bleibt.” Ab dem EU-Begierungsgipfel auf Korfu am 24. Juni kann Österreich in allen Institutionen des Bates auf Ministerebene, Botschafterebene und in den Batsgruppen seine Meinung zur Geltung bringen, wenngleich bis 1. Jänner 1995 noch ohne Stimmrecht. „In der Arbeit sind wir aber voll drinnen”, so Scheich.
Im Herbst werden Abgeordnete des österreichischen Parlaments als Beobachter in EU-Parlamentskommissionen wirken. Ab 1995 werden 21 Parlamentsabgeordnete für eine Zweijahresperiode Österreich im Europäischen Parlament voll vertreten. In der Zwischenzeit muß Österreich direkte Wahlen fürs EU-Parlament organisieren.
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