Ein Meilenstein für das moderne Wien?

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Der von Wien bejubelte Donau City Tower 1 ist ein spekulatives Immobilienprojekt, das Anlass zu städtebaulicher Selbstkritik gäbe.

Wenn Bürgermeister Michael Häupl begeistert von einem stadtweiten Vorzeigeprojekt, ja von einem Meilenstein für das moderne Wien schwärmt, dann muss dieses Gebäude schon etwas ganz Besonderes sein. Von seiner Dimension her ist es das auch. Der vor zwei Wochen feierlich eröffnete DC Tower 1 des Pariser Star-Architekten Dominique Perrault ist mit seinen 250 Metern das mit Abstand höchste Gebäude Österreichs und überragt die ihn umgebenden Hochhäuser in der Donau City um das Eineinhalbfache. Wem dieser Maßstabssprung unmotiviert oder gar unverhältnismäßig erscheint, mag im aktuellen Entwicklungskonzept für das 17 Hektar große Areal der Donau City nach den Beweggründen dafür suchen.

Dieser Masterplan, beauftragt durch die private Entwicklungsgesellschaft der Donau City, die WED, stellte Jahre nach Beginn der Verbauung auch eine Art städtebauliche Rechtfertigung für den Wildwuchs der ersten Entwicklungsphase dar - und stammt ebenfalls von Dominique Perrault. Er ersann darin unter anderem zwei Bürohochhäuser, die Zwillingstürme DC 1 und DC 2 mit 200 und 160 Metern, verbunden durch einen gemeinsamen Sockelbau mit Shopping Mall und Restaurants, als weithin sichtbares "Stadttor“ - auch wenn der bis 2007 gültige Flächenwidmungs- und Bebauungsplan hier Höhen von maximal 120 Metern festlegte.

Stolze 250 Meter hoch

Auch die anderen Ideen von Perrault umfassten kaum Maßnahmen, die von der WED im Wesentlichen nicht schon vorher beabsichtigt waren - weshalb wohl nicht so sehr die städtebauliche Expertise als der prominente Name des Planverfassers zwecks Vermarktung der noch entstehenden Immobilien im Vordergrund gestanden haben dürfte. Die Erläuterungstexte des Pariser Architekten muten denn auch eher lyrisch an als fachlich aussagekräftig: "Diese starke und dennoch offene Silhouette wird zu einer kinetischen Landmark“, umschreibt Perrault beispielsweise die Beliebigkeit der Höhenentwicklung - oder: "Durch die horizontale Erweiterung zum Fluss wird die vertikale Erweiterung der Donau City möglich.“

Mangels eigener städtebaulicher Vorstellungen erfüllte die Planungspolitik die Wünsche des - mit der Rathaus-SPÖ ebenso gut wie mit Österreichs größter Bank vernetzten - Projektentwicklers und schuf die rechtliche Voraussetzung für die beiden Wolkenkratzer mit 160 und 200 Metern Höhe. Die prekäre Lage am Immobilienmarkt ließ die WED aber schon bald mit der Stadt nachverhandeln, um die gesunkenen Renditeerwartungen durch ein paar zusätzliche Geschoße zu kompensieren. Die gewährte Ausnahmegenehmigung, die Perrault-Türme 220 und 175 Meter hoch bauen zu dürfen, wurde von einer sozialdemokratischen Gemeinderätin mit dem Argument gerechtfertigt, dass den Unterschied ohnehin niemand mit freiem Auge erkennen könne.

Während es der DC Tower 1 inklusive Dachaufbauten nun im Endeffekt auf stolze 250 Meter bringt, wurde die Realisierung seines kleineren Zwillings mangels Nachfrage auf unbestimmte Zeit verschoben. Und angeblich hat der Projektentwickler auch den größeren Turm nur deswegen gebaut, weil mit der internationalen Hotelkette Meliá vor Jahren schon die fristgerechte Übergabe von 15 der insgesamt 60 Stockwerke vertraglich vereinbart worden war. Von den 44.000 Quadratmetern Bürofläche im DC 1 steht freilich rund die Hälfte leer - und es scheint unklar, womit sie in absehbarer Zeit gefüllt werden soll. Fix ist hingegen, dass in der Sockelzone nicht das von den 3500 Bewohnern und den 5000 Beschäftigten der Donau City erhoffte Einkaufszentrum Einzug hält, sondern ein Fitness Center eröffnen wird.

Anachronistische Autogerechtigkeit

Architektonisch funktioniere der Entwurf für sein "Stadttor“ auch ohne den zweiten Turm, versicherte Perrault bereits. Wobei sich der Pariser Baukünstler nicht festlegen möchte, was genau die auf drei Seiten recht banale, auf einer Seite geradezu expressionistisch verformte Glasfassade des DC 1 ausdrücken soll. Während er bei einer Begehung mit Journalisten über einen "gläsernen Monolithen, der wie ein geometrischer Wasserfall neben der Donau steht“ fabulierte und dabei betonte, wie wichtig ihm diese Wassermetapher sei, gab er in einem Fernsehinterview bekannt, dass ihn nicht der Fluss, sondern viel mehr die archaischen Skulpturen auf den Osterinseln inspiriert hätten.

Leider reichen in Wien nach wie vor ein halbwegs prominenter Baukünstler und ein paar modische Worthülsen, um in Politik und Planungsverwaltung, aber auch in der Architekturszene und den meisten Medien helle Begeisterung oder zumindest kritiklose Akzeptanz für mittelmäßige bis belanglose Projekte zu erzeugen. Würde es in Hans Christian Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern nicht um vermeintliche Weber, sondern um Baumeister gehen - es müsste an der Donau spielen.

Denn auch das Schwadronieren Perraults über den Freiraum und die Urbanität im Umfeld des Projekts erweist sich bei genauerem Hinsehen als substanzlos. Bisher war so ziemlich die einzige Konstante in der Entwicklung der Donau City der verkehrsfreie öffentliche Raum auf einer künstlichen Ebene, zehn Meter über dem gewachsenen, einst kontaminierten Boden. Diese erlaubte es, die durchs Gebiet führende Donauuferautobahn zu überplatten und den motorisierten Verkehr sowie alle Parkplätze unter die Oberfläche zu verbannen - auf dass die neu geschaffene Erdgeschoßebene Fußgängern und Radfahrern vorbehalten blieb.

Beim DC Tower 1 unterlief die WED dieses Konzept jedoch und senkte einen weiten Teil des Vorbereichs - gleich einem Burggraben - um einige Meter ab. Damit ist es automobilen Besuchern möglich, aus dem unterirdischen Straßennetz aufzutauchen und unter freiem Himmel vor dem repräsentativen Glasturm vorzufahren. Damit entzieht der Projektentwickler allerdings den Freiraum einer städtischen Nutzung und opfert ihn einer anachronistischen Autogerechtigkeit seiner Immobilie.

Leerstände vergeuden öffentliches Geld

Betont wird seitens der WED auch, dass der DC Tower den Energie- und Nachhaltigkeitserfordernissen eines "Green Buildings“ entspreche. Doch stellt sich die Frage, in wie weit ein solches Gebäude überhaupt umweltgerecht sein kann. Denn in zehn Jahren wird die heute eingesetzte Baustoff- und Energie-Technologie bereits wieder veraltet sein - ein Nachrüsten oder Sanieren eines 250 Meter hohen Glasturms kommt aber bedeutend teurer als bei herkömmlichen Bauten. Nachhaltiger Städtebau wiederum würde bedeuten, Gebäude, Quartiere, ja ganze Stadtteile so kleinteilig und differenziert zu entwickeln, dass Wohnen und Arbeiten, Handel und Gastronomie, Bildung und Soziales, Freizeit und Kultur möglichst stark ineinander greifen können. Die ganze Donau City aber zerfällt in ein Wohn- und ein Büroquartier, bestehend aus einem Nebeneinander weitgehend monofunktionaler Großbauten. Mit der nun eröffneten monumentalen "Landmark“ konterkariert die WED nicht nur diesen Anspruch der Kleinteiligkeit. Auch die mit dem Rathaus 1995 getroffene Vereinbarung, wonach 24 Prozent des Bauvolumens der Donau City im Endausbau auf Bildungs-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen entfallen müssen, rückt in weite Ferne.

Bezeichnend ist, dass auch der Markt diese Form von Urbanismus nicht honoriert: Der Perrault-Turm ist - siehe Hans Holleins Saturn Tower von 2004 - nicht das erste Bürogebäude in der Donau City, das zu großen Teilen leer steht. Auch insofern erweist sich die jahrzehntelange Laissez-faire-Haltung des Rathauses, wonach Büroprojekten im Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung nichts in den Weg zu legen sei, als verfehlt. Denn Leerstände sind kein alleiniges Problem der Investoren - sie vergeuden auch öffentliches Geld, das etwa in die Errichtung von Infrastruktur fließt. Und sie vergeuden knappen Grund und Boden, der ebenso gut für dringend benötigte Wohnbauten Verwendung finden hätte können. Der Immobilienmarkt ist weder in der Lage, sich selbst zu regulieren, noch so etwas wie Stadt zu schaffen.

* Der Autor ist Stadtplaner, Filmemacher, Fachpublizist, Autor von "Wer baut Wien?“ und Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung

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