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Johannes Mebners Werk

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Am 11. Februar 1951 feiern wir Johannes Meßners sechzigsten Geburtstag. Da ist es wohl angebracht, dessen zu gedenken, was er für die Wissenschaft und die Sozialpolitik bedeutet, was insbesondere die katholische Sozialpolitik ihm verdankt. Die katholische Sozialpolitik hat eine lange Geschichte, auf die sie mit Recht stolz sein kann. Sie ist hervorgegangen aus dem überströmenden Herzen, das den bedrängten Mitmenschen in ihrer Not helfen wollte. Es waren jederzeit die Besten, die von diesem Drang ergriffen wurden. Unter diesen Sozialpolitikern waren hervorragende Gelehrte. Aber nicht allen Sozialpolitikern waren die Grundlagen der Zeit, die sie reformieren wollten, genau bekannt, und nicht alle beherrschten die Wissenschaft, die sie kritisierten, in genügendem Maße. Daraus mußten sich Gefahren ergeben, wenn Reformen postuliert wurden. Man brauchte daher einen Mann, der, um das Gebäude katholischer Sozialpolitik zu errichten, die dazu erforderlichen Voraussetzungen in sich trug. Johannes Meßner brachte dafür eine gründliche Durchbildung in Philosophie und Theologie, in Recht, Nationalökonomie und Gesell-schaftslehre mit. Er betrieb eingehende Studien an den Universitäten Innsbruck und München und erwarb den Doktorgrad in Theologie, Recht und politischer Ökonomie. Mit den Problemen der Nationalökonomie hat er sich eingehend unter Führung seiner Lehrer, der berühmten Nationalökonomen Adolf Weber und Otto von Zwiedineck-Südenhorst, beschäftigt. Freilich war es nicht seine Art, Einzelfragen im Labyrinth der theoretischen Nationalökonomie nachzuspüren. Es lag ihm mehr, die Ergebnisse der theoretischen Forschung kritisch zu durchleuchten, das Beste aufzunehmen und es zur Grundlage für die praktisch zu erstrebende Sozialordnung zu machen. So waren alle seine Forderungen wissenschaftlich unterbaut. Schon in seiner ersten Schrift, die einem größeren Kreis bekannt wurde, der „Sozialökonomik und Sozialethik“ — sie erschien 1927 in erster und schon 1929 in zweiter Auflage —, betont er die Notwendigkeit dieses Unterbaus. Denn er will darin die Bedeutung der neueren Volkswirtschaftslehre für die Lösung der Aufgaben der Sozialethik zeigen. Die Wichtigkeit und Richtigkeit dieses Gedankens bestätigte ihm kurz danach die Enzyklika Quadragesimo anno, wenn sie erklärt, daß die Wirtschaftsgesetze zeigen, welche Zielsetzungen auf wirtschaftlichem Gebiet möglich, welche nicht möglich sind.

Das Ergebnis seiner Untersuchungen über die möglichen Zielsetzungen war dann im Jahr 1933 das Buch über „Die soziale Frage der Gegenwart“. Er- kritisierte darin den Kapitalismus und den Sozialismus und stellte beiden als Lösung der sozialen Frage die christliche Sozialreform gegenüber. Die schnell aufeinanderfolgenden Auflagen zeigten, welch großes Interesse die Mitwelt Meßners Aufbauvorschlägen gegenüber aufbrachte. Noch konkreterer Formung wandte sich das 1936 erschienene Buch „Die berufsständische Ordnung“ zu. Meßner wollte darin auf lange Sicht hinaus Ziele klarstellen, deren Erreichung noch in weiter Ferne lag. Neben dieser tiefschürfenden Arbeit gingen höchst wirkungsvolle Leistungen verschiedenster Art einher. Aufsätze von Meßner erschienen da und dort, besonders wichtige Ausstrahlungen seines Geistes, die nicht nur das wirtschaftlich-soziale, sondern auch das ganze kulturelle Gebiet betrafen, sind von den beiden nacheinander von ihm herausgegebenen Zeitschriften „Das neue Reich“ und „Monatsschrift für Kultur und Politik“ ausgegangen. Seit 1930 war Meßner Privatdozent, seit 1935 außerordentlicher Professor für Ethik und Sozialwissenschaft an der theologischen Fakultät der Universität Wien.

Diese reiche Tätigkeit wurde durch den Einbruch des Nationalsozialismus jäh unterbrochen. Meßner mußte Österreich verlassen und viele Jahre lang in England im Exil leben. Diese Verbannung bot ihm die Möglichkeit, sich ganz eingehend mit einer wissenschaftlichen Literatur zu beschäftigen, die hier nicht so leicht 2u erlangen gewesen wäre. Namentlich die durch Keynes aufgewühlte angelsächsische Nationalökonomie, aber auch die ausländische Soziologie und Rechtsphilosophie gaben ihm reiche Anregung. .Das war nicht ohne Wirkung auf ihn. Seine Grundanschauungen haben tiefere Wurzeln geschlagen und frische Zweige getrieben. Das Ergebnis zeigt sich im neuen, umfassenden Buch „Das Naturrecht*, das 1950 in deutscher Sprache erschienen ist, nachdem eine englische Ausgabt unter dem Titel „Social Ethics“ unmittelbar vorausgegangen war. Dieses tiefgründige Werk stellt sich dar als ein Handbuch der Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsethik. Ausgehend von der Natur des Menschen, betrachtet es die Natur der-Gesellschaft und deren Ordnung, aber auch das Versagen dieser Ordnung, das sich in der sozialen Frage zeigt. Die Probleme der gesellschaftlichen Gebilde, der Familie, der Gemeinde, der Berufsgemeinschaft, des Staats, der Völkergemeinschaft, werden eingehend behandelt. Alles baut sich um das alte naturrechtliche Gedankengut auf, zu dem vom Gesichtspunkt der neuen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der modernen Theorien Stellung genommen wird — eine Stellung, die immer eine wohlfundierte eigene ist, so daß Meßner mit Recht von einer teil-wewen Neubegründung des Naturrechts sprechen kann. Dies gilt besonders von der Wirtschaftsethik, die den abschließenden Teil des Werkes bildet. Hier werden eingehend die großen Wirtschaftsprobleme untersucht und der Weg der Lösung gewiesen. Das System, das der Zeit not tut, stellt sich für Meßner in der sozialen Demokratie dar. Es ist .das Sozialsystem, in dem individuelle Freiheit, gesellschaftliche Kontrolle und staatliche Einflußnahme zusammenwirken mr Ordnung des sozialwirtschaftlichen Prozesses zwecks Verwirklichung des Vollmaßes der Volks-wohlfahrt und der sozialen Rechte“. Es ist ein gleicherweise über Kapitalismus wie über Sozialismus hinausführendes System, das begründet ist in der katholischen Naturrechtslehre wie in der modernen Sozialphilosophie und Nationalökonomie. Die Ideen, die Meßner nunmehr zusammengefaßt uns darbietet, hat er jahrelang einem großen Hörer- und Leserkreis vorgetragen und trägt sie neuerdings hier vor. Ist er doch jetzt wieder zu unserer Freude in Wien an der Universität als Professor tätig! Viele Tausende danken seinen Lehren die Klärung ihrer Gedanken und das Wissen um die Weise, wie die wirtschaftliche Wirklichkeit zu beurteilen und die soziale Reform durchzuführen ist. Möge es Johannes Meßner vergönnt sein, noch lange Jahre in Wort und Schrift erfolgreich unter uns zu -wirken!

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