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Joh. Messner - Praeceptor in Austria

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Am 16. Februar vollendet Johannes Messner sein 70. Lebensjahr. Die Reihe der großen Theologen der Wiener katholisch-theologischen Fakultät, die auf dem Gebiet der Sözialwissen- schaften durch die Namen Franz Martin Schindler, Ignaz Seipel besonders markant gekennzeichnet wird, findet in ihm ihre würdige Fortsetzung. Johannes Messner ist ein Gelehrter, dessen Bedeutung weit über die Grenzen des deutschen Sprachgebietes hinausreicht. Der Professor für Ethik und Sozialwissenschaften an der theologischen Fakultät der Wiener Universität hat sich seine Arbeit wahrhaftig nicht leicht gemacht. Um seiner Aufgabe gerecht zu werden, so sagte er selbst einmal im Freundeskreis, mußte er in fünf anderen Wissenschaften daheim sein, die für ihn „Hilfswissenschaften“ wurden: in Nationalökonomie, in Soziologie, in Philosophie, insbesondere Gesellschafts- und Rechtsphilosophie, Psychologie, Anthropologie.

Messners Interesse für Fragen der gesellschaftlichen Ordnung erwachte schon im Elternhaus. Er entstammt einer Arbeiterfamilie im Tiroler Städtchen Schwaz. Der Vater war Bergarbeiter in den staatlichen Silbergruben, , die Mutter Arbeiterin in der Schwazer Tabakfabrik. Im Vorwort zur 6. Auflage seines großen Werkes „Die Soziale Frage“ schildert er, wie ihn die Beobachtungen im Elternhaus — die Mutter verdiente als Tabakarbeiterin mehr als der Vater bei seiner ungleich härteren Arbeit — zur Beschäftigung mit sozialen Fragen drängten. Während des Theologiestudiums war der spätere Erzbischof von Salzburg, Sigismund Waitz, sein Lehrer für Sozialethik. Durch ihn wurde Professor Messner mit der „sozialen Frage“ in der Interpretation durch Franz Martin Schindler vertraut.

Nach sechs Jähren praktischer Seelsorgearbeit begann Johannes Messner auf Initiative des Prälaten Hofrat Dr. Ämilian Schöpfer, des christlichsozialen Abgeordneten zum Nationalrat der Ersten Republik, der schon dem alten österreichischen Reichsrat angehört hatte, auf der Universität Innsbruck Jus zu studieren und erwarb in Bälde das Doktorat beider Rechte. Er übersiedelte dann auf die Universität München, an der er nach Abschluß seiner Studien zum Dr. oec. publ. promoviert wurde. In München lehrten damals die berühmten Nationalökonomen Adolf Weber und Otto von Zwiedeneck-Südenhorst. Professor Messner hat später oft selber bezeugt, wieviel an volkswirtschaftlichen Erkenntnissen und Wissen er der Schulung in den Seminaren Adolf Webers verdankte. Die literarische Frucht dieser Zeit ist das wissenschaftliche Werk „Sozialökonomie und Sozialethik“ (1927, 2. Auflage 1929), in dem er nach seinen eigenen Worten die Bedeutung der neueren Volkswirtschaftslehre für die Lösung der Aufgaben der Sozialethik aufzeigte. Mit dieser Arbeit

habilitierte sich Johannes Messner an der Salzburger Fakultät. Ab 1930 war er Privatdozent und ab 193 5 außerordentlicher Professor für Ethik und Sozialwissenschaften an der theol. Fakultät der Wiener Universität.

Sein nächstes großes Werk ist „Die Soziale Frage“, die bis 1938 fünf Auflagen erreichte und völlig amgearbei- tet 1956 die 6. Auflage erlebte. Von diesem Buche ging eine überaus starke Wirkung auf die gesamte Sozialarbeit im internationalen katholischen Raum aus. Messner stellt darin der Sozialkritik des Kapitalismus und Sozialismus diiKchristliche Sozialreform gegenüber: Von besonderem Interesse ist die AufzeRfung der Wandlungen, die Kapitalismus und Sozialismus in den letzten 30 Jahren durchgemacht haben. Für seinen wirtschaftlichen und sozialen Realismus ist der Untertitel der 6. Auflage dieses Werkes kennzeichnend: „Im Blickfeld der Irrwege von gestern, der Sozialkämpfe von heute, der Weltentscheidungen von morgen.“ 1936 folgt das große Buch über die berufsständische Ordnung, dessen Neuauflage ihn schon seit langem beschäftigt. Es fehlt hier der Raum, um auf alle Werke hinweisen zu können. Seine literarische und wissenschaftliche Produktivität war schon damals erstaunlich groß. Neben den gewiß nicht kleinen Verpflichtungen als Schriftleiter einer angesehenen Wochenschrift und der Lehrtätigkeit steuerte er außer den großen und kleinen Werken noch wertvolle Beiträge zur 5. Auflage des Staatslexikons der Görres-Gesellschaft in den Jahren 1926 bis 1932 bei.

Die Okkupation Österreichs durch das nationalsozialistische Dritte Reich zwang ihn zur Emigration in die Schweiz und später nach England. In England fand er in Birmingham in dem von Kardinal Newman gegründeten Oratorium eine neue Heimat. Der dortige Aufenthalt eröffnete ihm den Zugang zur angelsächsischen Literatur, der — wie sein Biograph Dr. Klose in der schon erwähnten Festschrift schreibt — „seinen folgenden Werken ein besonders weltweites Gepräge“ gegeben hat und ihn damit instand setzte, österreichisches katholisches soziales Denken über die Kontinente hinauszutragen. Unter seinen großen wissenschaftlichen Werken aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg ragt „Das Naturrecht“ heraus, dessen Erfolg in aller Welt die Wertung des Werkes als „erstrangigen Beitrag“ zur Renaissance des Naturrechtes bestätigt. Trotz dieser großen Erfolge als Autor und beliebter akademischer Lehrer, trotz seiner großen Ehrungen — Inhaber, dreier Ehrendoktorate — ist Professor Messner der einfache und bescheidene, ja asketisch lebende Mensch, Priester und Seelsorger geblieben. Möge ihm die göttliche Vorsehung Schaffensfreude und Schaffenskraft, die am Beginn des achten Lebensjahrzehnts an sich schon Gnade sind, auch weiter erhalten.

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