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Ludwig Hansel

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Am 8. Dezember vollendet Hof rat Dr. Ludwig Hansel das siebente Jahrzehnt seines Lebens. Ein „Stiller im Lande“, wenigstens in dem Sinne, als seine geistige Potenz zur Unauffälligkeit seines Wirkens in einer schlechten Proportion steht.

Geboren in Hallein, besuchte er das Gymnasium in Salzburg, die Universität in Graz (Germanistik, Romanistik und Philosophie), wohin ihn augenscheinlich Anton Schönbach verlockt und wo ihn der Philosoph Alexius Meinong am stärksten geprägt hat. Seit 1911 ist er an verschiedenen Mittelschulen Wiens als Professor, seit 1929 Direktor (zuerst am Mädchenrealgymnasium in der Josefstadt, seit 1936 an der Bun-dcserziehungsanstalt auf der Landstraße. Im März 193 8 wird er enthoben, aber (er war, versteht sich, kein Nationalsozialist, aber seine berufliche Korrektheit stand außer Zweifel) im Herbst 1939 als „Oberstudiendirektor in Verwendung eines Studienrates“ im RG XVII eingesetzt. Als er 1946 aus der Gefangenschaft zurückkam, blieb gerade noch ein Mittelschul-direktorenposten (RG X), den er bis zu seiner Pensionierung inne hatte.

Das ist der äußere Rahmen seines beruflichen Lebens. Und er hat als richtiger „Mann der Pflicht“ seinen Beruf bis ins letzte ernst genommen; so wie er als Vater von drei Kindern und Großvater von 14 Enkelkindern immer um seine Frau und seine Familie in rührender Sorge lebte. Nichts kennzeichnet ihn als Menschen, der zu seiner Pflicht mit dem Einsatz seines Lebens steht, so sehr als eine kleine Begebenheit vom Kriegsende. Er hatte vom Frontdienst (als Major) Urlaub, und der ging mit Ostern zu Ende. Obgleich wir in Wien bereits den Kanonendonner der Russen hörten und jeder wußte, wieviel es geschlagen hat, obwohl Hansel alles eher als ein Nationalsozialist und obgleich die Rückkehr zur Front ein mühsamer Umweg auf allen möglichen Vehikeln war, kam er getreu seinem geschworenen Eid zu seiner Truppe in die Poebene, von wo er auch von den Amerikanern prompt in seine zweite Gefangenschaft geholt wurde.

Elf Jahre seines Lebens hatte er als Soldat und in der Kriegsgefangenschaft verbracht. (1910/11 sein „Einjährigenjahr“, 1914—1919, 1941-1946.)

Sein geistiges Profil ist geprägt durch Pascal, durch Goethe (schade, daß die Drucklegung seiner Faust-Interpretation am Kalkül der Verleger scheiterte), durch seinen Lehret Alexius Meinong, durch seine Freundschaft Imit Karl Muth und mit Ludwig Wittgenstein, der, wenn er einmal von Cambridge nach Wien kam, den ihn anbetenden „Wiener Kreis“ mied, aber seine Abende mit Ludwig Hansel verbrachte, mit dem er in der ersten Kriegsgefangenschaft am Fuß von Monte Cassino Augustinus gelesen hatte. Sein sprachliches Feingefühl schulte er, wie viele mit ihm, an der Satire eines Karl Kraus. Er war immer ein gläubiger Katholik. Aber richtig seinem Ingenium entsprechend, Katholik mit innerster Zustimmung wurde er erst in Auseinandersetzung mit den Werken Hermann Schells, dessen Bedeutung in dieser Hinsicht heuer, aus Anlaß seines 50. Geburtstages, von einer Reihe katholischer Theologen unterstrichen wurde. Seine Werke stehen, die Ränder um und um beschrieben, in Hansels Bibliothek. Die „Brenner“ Hefte ebenso. Mitarbeiter an dieser Zeitschrift war er aber nicht. Er ist Vorsitzender der Ferdinand-Ebner-Gesell-schaft und einer der Herausgeber von dessen Werken.

Dem Pflichtmenschen, der er immer war, und dem Bedenker, der er heute noch ist, mußten Publikationen abgenötigt werden. Es erschienen in Buchform „Die Jugend und die leibliche Liebe“ (Tyrolia 1938), „Goethe, Chaos und Kosmos“ (Herder 1950), „Unsterblicher Humanismus“ (UNESCO-Schriftenreihe 1956), „Humanismus und Erziehung im Westen und Osten“ (1956); im Erscheinen begriffen sind „Der neuen Schule entgegen“ (Oesterreichischer Bundesverlag) und „Begegnungen und Auseinandersetzungen“ Bd. 1 (ebenda); sie scheint die ihn kennzeichnendste Schrift zu sein.

Mehr als diese Buchtitel bezeichnen ihn Abhandlungen wie: „Katholischer Indifferentismus“ (Hochland); „Gewissenserneuerung und Christentum“ (Hochland). Ueber H. Holzapfels „Panideal“ (ebenda), über Hermann Hefele gegen den „romantischen“ und „klassischen“ Katholizismus (ebenda). Und seine Besprechung der Gesamtausgabe von W. Diltheys Werken. „Wertlehre und Wertfragen“ (ebenda), „Das faustische Schicksal“ (Chronik des Wiener Goethe-Vereines), „Tragischer und christlicher Heroismus“ („Kirche im Kampf“), „Das Relative und das Absolute“ (Oesterreichische Rundschau), „Christentum und Magie“ („Wort und Wahrheit“), „Wertgefühl und Wert“ (Wiener Zeitschrift für Philosophie, Psychologie und Pädagogik).

Hansel ist Vizepräsident der Oesterreichischen UNESCO-Kommission, ebenso des Wiener Goethe-Vereines, Vorstandsmitglied der Deutschen Goethe-Gesellschaft in Weimar, Mitglied der Wiener Katholischen Akademie, der Wiener Philosophischen Gesellschaft, des Pädagogischen Rates der Mittelschullehrer. Er ist seit Jahren Lehrbeauftragter für den Unterricht in philosophischer Propädeutik an der Universität Wien.

Er hat an vielen internationalen Kongressen Oesterreich vertreten, so an der Generalversammlung der UNESCO und ihrem pädagogischen Kongreß in Paris 1952; Venedig 1955: Bureau international catholique de l'Enfance; Paris 1956: UNESCO-Expertentagung über Asiatische Kulturen in den westlichen Schulen; Braunschweig 1956: „Oesterreichischer und reichsdeutscher Geschichtsunterricht“. ,

Seine große Vortragstätigkeit im In- und Ausland sei nur nebenher erwähnt.

Wir hoffen und wünschen, seine Aerzte sollen ihn wieder hochkriegen, daß die Jahre seiner Berufsruhe uns das schenken, was der Mann strengster Berufspflicht durch Jahrzehnte zurückstellen mußte.

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