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Im Zeichen der Sympathie oder: von und über Thomas Mann

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Versuch über Schiller. Von Thomas Mann. S. Fischer Verlag. 103 Seiten.

Dieser umfangreiche Essay ist eine Erweiterung jener Schillerrede, die Thomas Mann kurz vor seinem 80. Geburtstag in Weimar und Stuttgart gehalten hat und die im Westen wie im Osten Deutschlands mit der gleichen Zustimmung aufgenommen wurde. Sie war nicht nur ein rhetorisches Meisterstück, sondern überraschte auch durch den Ton herzlicher Sympathie, den Thomas Mann für den Gefeierten fand. Zwar: da gab es. unter den frühen Schriften Thomas Manns, die Schiller-Novelle „Schwere Stunde“, aber man hatte den Autor doch mehr auf der Seite Goethes vermutet (und oft genug auch dort getroffen, mit mehreren umfangreichen Essays, zuletzt mit der Prosadichtung „Lotte in Weimar“). — Weit über die „Erfahrungsverwandtschaft“, die alle Schaffenden verbindet, geht die Verehrung hinaus, die Thomas Mann dem Autor der großen Balladen, der ästhetischen Schriften und des „Wallensteins“ darbringt Es ist das Dichterische par excellence, was er feiert, den edlen Geist, die reine Flamme, das Idealische, die große, empor verlangende Seele, mit der verglichen wir anderen armselig-irdisch erscheinen. Vor allem aber ist es

Schillers Humanismus, der einer an Kulturschwund leidenden und zum Regreß neigenden Zeit entgegengehalten wird. „Von seinem sanft gewaltigen Willen“, so schloß die Rede und endet der Essay, „gehe durch das Fest seiner'Grablegung und Auferstehung etwas in uns ein: von seinem Willen zum Schönen, Wahren und Guten, zur Gesittung, zur inneren Freiheit, zur Kunst, zur Liebe, zum Frieden, zu rettender Ehrfuch des Menschen vor sich selbst.“ (Der Untertitel des Essays lautet: „Zum 150. Todestag des Dichters — seinem Andenken in Liebe gewidmet.“)

Der Künstler und die Gesellschaft. Von Thomas Mann. UNESCO-Schriftenreihe (Wilhelm Frick-Verlag, Wien). 39 Seiten.

Ein vollständiger Nachdruck des Vortrags, den Thomas Mann seinerzeit auch in Wien gehalten hat und der in der „Furche“ ausführlich kommentiert wurde. Das Thema: der Künstler und die Gesellschaft, Künstler und die Moral, der Künstler und die Politik wird inj Plauderton behandelt, aber hinter den improvisiert wirkenden Formulierungen, den ironischen und selbstkritischen Apercus verbergen sich bittere Wahrheiten. Mag man auch da und dort ein Fragezeichen setzen: zur Kenntnis Thomas Manns und seines Typus — dem des liberalen Fluma-nisten — ist die aufmerksame Lektüre dieser kleinen Schrift sehr zu empfehlen.

Herr und Hund. Von Thomas Mann. Mit Zeichnungen von Gunter Böhm. Fischer - Bücherei (S. Fischer Verlag) 153 Seiten. Preis 1.90 DM.

„Gesang vom Kindchen“, „Unordnung und frühes Leid“, „Herr und Hund“ heißen die drei Idyllen, die Thomas Mann, gewissermaßen um Atem zu schöpfen, zwischen den großen Arbeiten geschrieben hat. Die an liebenswürdigen persönlichen Zügen reiche Schilderung und die tiefenpsychologische Analyse des Lieblingshundes der Familie entstand 1919, unmittelbar nach dem „Kriegsdienst mit der Feder“, den „Betrachtungen eines Unpolitischen“ und der Bestandaufnahme einer ganzen Epoche, dem „Zauberberg“. Die hübsche und billige Neuausgabe erschien zum 80. Geburtstag des Dichters, ein

Zeichen wohl auch dafür, daß „Herr und Hund“ zu den Lieblingskindern des Autors gehört.

Die Neue Rundschau. 66. Jahrgang, 195 5. Drittes Heft. S. Fischer Verlag. (Seite 253 bis 523.)

Das umfangreiche Heft, fast schon ein Buch, ist als Festschrift zum 80. Geburtstag von Thomas Mann erschienen. In diesem Rahmen können nur die wichtigsten Beiträge genannt werden. Nach kurzen Glückwünschen von Albert Einstein, Hermann Hesse und Bruno Walter folgen: Max Rychner, Hans Carossa, Erich von Kahler, Karl Kerenyi, Albrecht Goes, Robert Faesi, Hermann Stresau, Harold Nicolson, Peter de Mendelssohn und Jonas Lesser mit Thomas-Mann-Studien. Einige andere bedeutende Beiträge behandeln größere Themen in losem Zusammenhang und indirektem Bezug auf sein Lebenswerk, so Werner Weber, Hans Eppelsheimer, Friedrich Heer und Theodor W. Adorno. Im ganzen: ein hochinteressantes und gehaltvolles Heft.

Thomas Mann in der Epoche seiner Vollendung.

Von Jonas Lesser. Verlag Kurt Desch, München. 540 Seiten. Preis 19.50 DM.

Während seines Wiener Besuches wurde Thomas Mann gefragt, welchen seiner Interpreten er als „authentisch“ am meisten schätze. Damals verwies der Dichter auf eine im Entstehen begriffene Arbeit, von der er erst einige Kapitel kannte, die aber seine ungeteilte Zustimmung gefunden hatten. Er lese — so sagte Thomas Mann damals — die Studie von Lesser mit einem feuchten und .einem lachenden Auge, gewissermaßen mit dem Gefühl „Du bist erkannt!“ Denn Lesser begnügt sich durchaus nicht mit den ein wenig abgebrauchten Formeln, Schemata und Antithesen der bisherigen Thomas-Mann-Forschung (Künstler und Bürger, Lebensfreudigkeit und Sympathie mit dem Tode, Mythus und Psychologie), sondern würdigt vor allem den Schriftsteller, seine sprachlichen Tricks und Mittel, er untersucht das Motivgeflecht, spürt verborgene Zusammen' hänge auf, dechiffriert Anspielungen und versäumt keine Gelegenheit, auf das Witzige, Spaßige und Ironische als die Dominanten des Spätwerks hinzu? weisen. — Manchmal freilich möchte man den Autor gegen seinen übereifrigen Interpreten in Schutz nehmen, vor allem wenn Lesser deutend vergröbert, etwa Seite 81 ff., wo — bei der Analyse der „Josephromane“ — behauptet wird, „in Beknechons und der Amuospriesterschaft spiegelt sich der Katholizismus“, und wo eben jener „Gottesstaatsmann“ und Glaubenspolitiker zugleich als Efz-faschist dargestellt wird. Auch macht es sich Lesser bei der Verteidigung Thomas Manns gegen dessen theologische Kritiker allzu leicht, etwa indem er behauptet, Kunst und Religion seien autonome und gleichgeordnete Gebiete. So einfach ist das wieder nicht. Aber da kommen wir auf ein weites Feld... Trotz dieser Einwände: Lesser ist ein grundgescheiter, ein brillanter Interpret, und um sein geschliffenes, am Objekt seiner Studien geschultes Deutsch mag ihn mancher beneiden.

Thomas Mann und Goethe. Von Bernhard

Blume. A. Francke AG. Verlag, Bern. 155 Seiten.

Eine feine und nützliche Spezialuntersuchung mit genauen Hinweisen und ausführlichem wissenschaftlichen Apparat. In diesem Rahmen seien wenigstens die' Themen genannt: Spiegelung, Herkunft, Nihilismus, Ironie, Synthese. Deutschtum, Humanität, Größe, Dämonie. — Interessant ist besonders das dritte Kapitel mit den Zitaten aus Nietzsche, Dosto-jewsky und Jacob Burckhardt sowie die These des Autors, daß Goethe für Thomas Mann ein Weg zur Ueberwindung des Nihilismus war

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