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Ruth mit dem Karabiner

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,,Frau Oberst erwartet Sie“, sagt eine schlanke, blauäugige Blondine in Khakiuniform; an der Wand das Bild des Staatspräsidenten. Die Gesprächspartnerin ist Oberst Deborah Thomer, die höchstrangige Soldatin Israels und Kommandantin des Frauenkorps, eine hübsche, junge Frau, die durch eine schwarzumrandete Brille einen ernsten Eindruck erweckt „Meine Hauptaufgabe ist, für das Wohlergehen unserer Mädchen in der Armee zu sorgen. Heute ist es so, daß Mädchen, die nicht in der Armee dienen, glauben, etwas versäumt zu haben. Wie Sie wissen, sind die Mädchen nur in der Ausbildung im Fraüenkorps selbst, und später werden sie den Einheiten der verschiedenen Waffengattungen zugeteilt. Dort unterstehen sie den Offizieren der Einheit und wir kümmern uns nur noch darum, daß die Mädchen recht untergebracht sind, daß sie sich in entsprechend guter Gesellschaft befinden, in völlig getrennten Quartieren leben, daß sie für ihre eigene Kosmetik sorgen können und ein Essen bekommen, das nicht zu fett macht. Wir sorgen eben für all die Probleme, die junge Mädchen beschäftigen.“

Oberst Deborah Thomer ist 38 Jahre alt. Sie ist mit einem Ingenieur verheiratet, der eine Stahlfabr.ik leitet und nichts gemein hat mit den militärischen Funktionen seiner Frau. Sie wurde in Polen geboren, kam als einjähriges Kind mit ihren Eltern nach dem damaligen Mandatspalästina und absolvierte hier das Gymnasium. Als sie 16 Jahre alt war, trat sie der „Hagana“ bei, und mit 18 Jahren ging sie wie all ihre Altersgenossinnen zum Militär. Schon zwei Jahre später absolvierte sie einen Offlzierskurs und war in der Militäradministration tätig. Während ihrer Dienstzeit begann sie das Studium der Wirtschaftslehre und Statistik. Nach Abschluß ihres Studiums, 1955, wurde sie in die Finanzberatungsabteilung des Generalstabs versetzt. Hier machte sie Karriere, bis sie selbst Finanzberater des Generalstabschefs wurde.

In Israel muß jedes Mädchen nach Absolvierung des Gymnasiums oder bei Erreichung von 18 Jahren zum Militär. Viele religiöse Eltern können es nicht über sich bringen, ihre Tochter zum Militär zu schicken. Auf Druck der religiösen Parteien, die das Zünglein an der Koalitdonswaage der Regierung bilden, wurde ein besonderes Gesetz verabschiedet, demnach Mädchen, die eine eidesstattliche Erklärung abgeben, aus religiöser Uberzeugung keinen Militärdienst tun zu wollen, dispensiert sind. Ungefähr 30 bis 40 Prozent aller israelischen Mädchen machen davon Gebrauch.

Laut Gesetz muß in Israel jede Frau 20 Monate Militärdienst tun. Danach kann sie bis zur Vollendung ihres 34. Lebensjahres jedes Jahr für einen Monat Reservedienst eingezogen werden. Wenn sie während ihres aktiven Dienstes heiratet, was sehr oft vorkommt, so scheidet sie automatisch aus. Heiratet sie jedoch erst nach vollendeter Dienstzeit, so ist sie auch weiterhin reservedienstpfllch-tig. Sollte sie schwanger werden, ist sie automatisch befreit, ein Gesetz, das sich nicht nur auf verheiratete Frauen bezieht.

Nach ihrer Ausbildung werden die Mädchen hauptsächlich als. Sekretärinnen beschäftigt. Heute findet man keinen kampftüchtigen Soldaten in einer Militärkanzlei. Die Mädchen dienen außerdem als Fahrerinnen, falten Fallschirme, versorgen den Funk- und Radardienst bei Marine und Luftwaffe, werden als Polizistinnen und Militärpolizistinnen beschäftigt.

Die Soldatinnen dienen in keiner kämpfenden Einheit an der Front. Sie versehen auch keinen Kampfdienst als technisches Personal. Es ist ihnen nicht einmal besuchsweise gestattet, sich in die Unterstände an der Front zu begeben. Neueinwanderer werden erst ein halbes Jahr nach Erhalt ihrer israelischen Staatsangehörigkeit eingezogen, können aber ihren Dienst eventuell um ein weiteres halbes Jahr aufschieben lassen, wenn sie ein besonderes Anliegen haben. Absolventinnen von Lehrerseminaren und des öfteren auch Mädchen mit abgeschlossener Mittelschulbildung werden im Rahmen des Militärs als Lehrerinnen in den Grenzsiedlungen und Entwicklungsstädten eingesetzt, um den Lehrermangel in diesen Gebieten auszugleichen. Sie leben auch hier in einem Militärlager der Umgebung und unterstehen einer Offizierin. Viele beschäftigen sich nicht nur mit dem Unterrichten von Kindern, sondern bringen auch erwachsenen Analphabeten das Lesen und Schreiben bei. Innerhalb der Armee dienen diese Junglehrerinnen beim Unterrichten von Soldaten, die ihr Elementarschulpensum nicht absolviert haben. Trotz des harten Dienstes vergessen diese weiblichen Soldaten nie, daß sie auch Frauen sind. Die Röcke wurden kürzer, die Haare länger. (Zwar gibt es keine besonderen Vorschriften für Haarlänge, doch zu lange Haare müssen hochgesteckt getragen werden.) Kosmetikerinnen verschiedener Firmen besuchen regelmäßig die Militärlager, um die jungen Mädchen anzuweisen.

„Ein Mädchen, das auf ihren Militärdienst verzichtet, verliert viel“, sagt die schwarzhaarige Ruth. Sie wird es wissen.

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