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In Dänemark brennt es links

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Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgen in diesen Tagen alle politischen Kreise in Dänemark einem erbarmungslosen und vernichtenden Machtkampf in der linksradikalen Sozialistischen Volkspartei (SF), studieren ebenso engagiert die letzten Ergebnisse der Meinungsforscher

über die politische Stimmung in der Wählerschaft und lassen sich darüber aus, wie lange es den Sozialdemokraten noch möglich sein wird, das in den politischen Herbststürmen lebensgefährlich schwankende Regierungsschifflein vor einem Kollisionskurs in die überall drohenden Untiefen zu bewahren. Jens Otto Krag, dem Steuermann auf diesem schwankenden Schiffchen, wird dabei verwunderlich wenig Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl schwer übersehen werden kann, das er in diesem Drama, in das vor allem die SF verwickelt worden ist, eine Hauptrolle spielt, und zwar eine Hauptrolle ganz eigener Art!

Gallups Rechnung

Um mit dem politischen Index des Gallup-Institutes zu beginnen, so enthält dieser für keine der beiden sozialistischen Parteien direkt erhebende Ziffern: Die Sozialdemokraten konnten wohl in den letzten Monaten eine Festigung und sogar Verstärkung ihrer Stellung unter der Wählerschaft feststellen, doch ihre Position ist immer noch schwächer als zur Zeit der letzten Parlamentswahl, die ihnen bekanntlich einen schweren Rückschlag gebracht hat.

Sozialdemokraten und Volkssozialisten verfügen heute zusammen über eine Mehrheit im Parlament. Auf

Grund eines Abkommens im März hat sich die SF verpflichtet, Jens Otto Krags zusammenschmelzende Fraktion bei allen wichtigen Abstimmungen zu unterstützen. Für jene Dänen, die von dieser Zusammenarbeit Verbesserungen auf sozialem Gebiet erwarteten, war aber das Resultat mehr als ärmlich: Die Einführung der Mehrwertsteuer wurde von der Mehrheit der Bevölkerung als eine zusätzliche Belastung empfunden. Das wirklich bewundernswerte Ergebnis war, daß Jens Otto Krag trotz schwerer Mandatsverluste fester im Sattel saß als jemals zuvor und seine Stellung auch in der eigenen Partei bemerkenswert verstärken konnte. Alles mit Hilfe einer linksradikalen Gruppe, mit der zu-

sammenzuarbeiten er noch ein Jahr vorher als vollständig ausgeschlossen erklärt hatte.

Taktik besser als Divisionen

Dieser Führer der Sozialdemokratie hat ein taktisches Geschick bewiesen, das allen seinen Vorgängern

mangelte. Krag hatte mit der ganzen Last der rasch anschwellenden volkssozialistischen Partei zu kämpfen, und es gelang ihm, nach nur einem Jahr des Nahkampfes, mit diesem gefährlichsten Gegner fertig zu werden! Krag stellte unter Beweis, daß es gar nicht so darauf ankommt, über wieviel Truppen man verfügt, und daß eine geschickte Strategie auf lange Sicht und einer aus der Situation improvisierte Taktik wohl imstande sind, den Nachteil der geringeren Zahl aufzuheben. Bei den letzten zwei Wahlen war die SF — genährt von der tiefen Unzufriedenheit früherer sozialdemokratischer Wähler über die Politik der Regierung — wie eine Dampfwalze in die Stellungen dar SAP eingebrochen, im Spätherbst 1967 schon darf man sich fragen, ob die SF die nächsten Wahlen überleben wird!

Eine der Ursachen dieser Entwicklung liegt auch darin, daß der alte Sozialist und frühere Kommunist Axel Larsen es nicht zu verantworten zu können glaubte, wenn Krag von den bürgerlichen Oppositionsparteien gestürzt würde. So war er gezwungen, die sozialdemokratische Fraktion zu unterstützen, ohne Rücksicht darauf, ob ihm dies etwas einbringen würde. Das Resultat für seine Partei war die Halbierung der Wählerschaft in weniger als einem Jahr!

Axel Larsen seinerseits scheut keine Worte, wenn er über die Leitung seiner eigenen Partei ein Urteil fällt: Diese Parteileitung habe bewiesen, daß sie außerstande sei, die organisatorischen, politischen und wirtschaftlichen Aufgaben einer Partei zu lösen. Er verlange nun einen außerordentlichen Parteikongreß, der nur eine Aufgabe haben würde: eine neue Parteiführung zu wählen!

Die Parteileitung sagt, daß in den Kassen kein Geld für einen Kongreß vorhanden sei. Axel Larsen antwortet darauf, daß man dann eben auf teure Restaurantbesuche verzichten und ein Butterbrot von zu Hause mitnehmen werde. Der alte Fuchs ist hart bedrängt, doch er ist noch nicht geschlagen.

Die stärksten Festungen Larsens befinden sich in Nord-Jütland, in den Städten Alborg und Aarhus, deren Organisationen die Wahl einer neuen Parteileitung fordern. Von der Parlamentsfraktion stehen vor allem die alten SF-Politiker Morten Lange, Poul Dam und Ove Krog Hansen auf seiner Seite, die auch eine Kriegserklärung gegen die jetzige Parteileitung ausfertigten. Gelingt es den Gegnern Axel Larsens, ihn vom Posten des Vorsitzenden zu verdrängen, dann hat der Kopenhagener Bürgermeister Willy Brauer große Aussichten, sein Nachfolger zu werden.

Doch auch Jens Otto Krag hat einige ihm lästig werdende Politiker

in der eigenen Partei beseitigen oder auf Nebengeleise abschieben müssen. Per Haekkerups Rückkehr in das Chefzimmer des Außenministeriums — der möglicherweise am meisten begehrte Posten in Dänemark! — hat er geschickt verhindert. Der lange Zeit als kommender Außenminister genannte Hans Sölvhöj wurde Direktor des Rundfunks, und Tyge Dahl-gaard, Handelsminister und ebenfalls ein aussichtsreicher Kandidat auf diesen Posten, wurde von Krag verabschiedet, als er sich einige freundliche Worte über das Militärregime in Griechenland entschlüpfen ließ — „Eine Schweinerei!“ sagte Dahlgaard, als ihm die Nachricht davon erreichte!

Keine Neuwahlen

Die vier bürgerlichen Oppositionsparteien haben inzwischen eine Einladung Krags zur Zusammenarbeit höflich und etwas zögernd abgelehnt.

Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß sie zum gegebenen Zeitpunkt Krag unterstützen werden. Ihre Forderung auf die Ausschreibung von Neuwahlen hat die Regierung abgelehnt. Man wird auf der bisherigen Basis weiterarbeiten, gestützt auf Volkssozialisten, die in dieser Umarmung alles von ihrem Offensivgeist verloren haben!

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