
Rebellische Generäle im Sudan
In der sudanesischen Hauptstadt Khartum steht eine Gruppe hoher Offiziere vor Gericht: Die Generäle Abdullah und Schanon sind zusammen mit sechzehn anderen Armeeoffizieren angeklagt, am 22. Mai dieses Jahres einen Handstreich gegen führende Männer des Militärregimes im Sudan geplant zu haben.
In der sudanesischen Hauptstadt Khartum steht eine Gruppe hoher Offiziere vor Gericht: Die Generäle Abdullah und Schanon sind zusammen mit sechzehn anderen Armeeoffizieren angeklagt, am 22. Mai dieses Jahres einen Handstreich gegen führende Männer des Militärregimes im Sudan geplant zu haben.
General Abboud, der Chef der Militärregierung, ist sich lange Zeit nicht darüber klar gewesen, welche seiner Kollegen ihm damals eigentlich untreu werden wollten. Zur frühen Morgenstunde jenes Maitages waren Truppeneinheiten der sudanesisch-äthiopischen Grenzgarnison Kassala auf Güterzüge verladen' und nach Khartum geschickt worden. Sie sollten einen Handstreich gegen den Oberbefehlshaber und Regierungschef General Abboud decken. Erst vor kurzem wurden die Generäle, und Minister Abdullah und Schanon als die Urheber des gefälschten Telegramms entlarvt.
General Abboud versicherte inzwischen, Abdullah und Schanon hätten für ihren gescheiterten Handstreich keine politischen Motive vorzuweisen. Er deutete an, sie seien von persönlichem Ehrgeiz getrieben worden. Ob diese Deutung den Tatsachen entspricht, ist allerdings noch nicht einwandfrei erwiesen. Es wäre durchaus möglich, daß Abdullah und Schanon nur einen bereits vorausgegangenen Handstreich wieder rückgängig machen wollten.
Hohe sudanesische Militärs hatten schon einmal, im März 1959, heimlich Truppen nach Khartum beordert. Gestützt auf diese bewaffnete Macht, zwangen sie damals Abbouds Kabinett zur Selbstauflösung. Als schließlich wieder eine Regierung beisammen war, saßen in .ihr drei neue Minister mit Generalsrang. Die drei neuen Minister forderten sogleich eine „Rückkehr zur Politik der guten Nachbarschaft" gegenüber Aegypten und dem „starken Mann" dort, Abdel Nasser. Dagegen hatte damals General Wahhab seinen Kabinettsitz verloren — der Minister, dessen Mißtrauen gegen Nassers großarabischen Nationalismus am augenfälligsten war. Die kürzlich verhafteten Generäle Abdullah und Schanon galten als Freunde Wah- habs und als Gegner Nassers.
Die zentrale Frage der sudanesischen Politik ist demnach immer noch, wie das Verhältnis zum ägyptischen Nachbarn gestaltet werden soll. Nasser gibt dabei die Hoffnung auf einen Zusammenschluß des oberen und unteren Niltales, also des Sudans mit Ägypten, nicht auf. Diese Frage hatte auch entscheidende Bedeutung, solange der Sudan trotz seiner zivilisatorischen Rückständigkeit noch alle seine demokratischen Freiheiten besaß. Es gab politische Parteien mit proägyptischen Tendenzen und solche mit eigenständigen sudanesisch-nationalistischen Programmen; es gab Zeitungen, deren Idol Nasser war, und Zeitungen, die ihn verdammten. Aber immerhin spielte sich das Ringen um Nassers großarabischen Nationalismus vor aller Öffentlichkeit nach demokratischen Spielregeln ab. Als im November 1958 General
Abboud durch einen Staatsstreich zur Macht gelangte und sogleich das Parlament, die politischen Pafteienzidiest-Gewerkschaiten rund die Pressefreiheit "stillegte“,-geschah es nach seiner Aussage „zur Rettung von Ruhe und Ordnung" — mit dem zweifelhaften Erfolg allerdings, daß sich nun die Auseinandersetzungen im Halbdunkeln unter Anwendung von Gewaltmaßnahmen und mit Umsturzversuchen abspielen.
Wie sich die Beziehungen zwischen dem Sudan und Ägypten künftig entwickeln, hängt weitgehend auch von einer Neuregelung der Nilwasserverteilung ab. Beide Länder sind regenarm und brauchen Nilwasser für ihre Felder. Auf Grund alter Verträge kann der Sudan jährlich nur rund vier Milliarden Kubikmeter Nilwasser beanspruchen, während das wesentlich dichter bevölkerte Ägypten durchschnittlich 84 Milliarden Kubikmeter erhält. Seit Jahren schon verlangt der Sudan wegen seines starken Bevölkerungszuwachses und wegen neuer Landwirtschaftsprojekte größere Wasseranteile zur Trocken- und Flutzeit. Aber bisher sind alle entsprechenden Verhandlungen zwischen dem Sudan und Ägypten gescheitert.
Es fällt Ägypten schwer, die sudanesischen Forderungen zu bewilligen. Zur Trockenzeit wird „Vater Nil“ bereits so stark beansprucht, daß seine Mündungsarme durch Lehmdämme gegen hereinströmendes Meerwasser abgeriegelt werden müssen. Verzichten könnte Ägypten allenfalls auf einige Mengen des Flutwassers während der zentralafrikanischen Regenzeit. Wenn aber das Flutwasser für den Sudan nutzbar gemacht werden soll, dann müssen kostspielige Stauanlagen gebaut werden, an deren. Kosten die Sudanesen ihre ägyptischen Vettern finanziell beteiligen möchten. Wie dieses ebenso wirtschaftliche wie politische zähe Ringen weitergeht, ist noch .völlig ungewiß. Es hat aber den Anschein, als ob Ägypten jetzt doch dazu neige, dem Sudan ein Kompromiß anzubieten — wahrscheinlich vor allem deswegen, um das Läger der großarabischen Nationalisten und Nasser-Freunde im Sudan zu stärken.
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