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Digital In Arbeit

Vor dem Zusammenstoß

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Der vorzeitige Abbruch zahlreicher befristeter und unbefristeter Streiks durch die Gewerkschaften, „um den ruhigen Verlauf der nach dem 7. Juni angesetzten Regionalwahlen zu gewährleisten“, beschert Italien einen 16tägigen Arbeitsfrieden auf Abruf.

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Der vorzeitige Abbruch zahlreicher befristeter und unbefristeter Streiks durch die Gewerkschaften, „um den ruhigen Verlauf der nach dem 7. Juni angesetzten Regionalwahlen zu gewährleisten“, beschert Italien einen 16tägigen Arbeitsfrieden auf Abruf.

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Voraussichtlich am 9. Juni werden dann die drei großen Arbeitnehmerorganisationen in gemeinsamer Sitzung über weitere Aktionen entscheiden. Der Ausgang der Wahlen wird dabei wegweisend sein: ein weiterer Vormarsch der linksextremen Oppositionsparteien dürfte die mit ihnen verbundenen Gewerkschaften zu neuen Agitationen ermuntern. Sieht sich der Oentro Si-nistra durch Erfolge der Parteien links von der Mitte bestätigt, so könnte dies dem Streikübermut einen Dämpfer erteilen. Sind es auch keine Parlaments-, sondern bloße Regionalwahlen, die am 7. Juni stattfinden, so wird das Kabinett Rumor doch nach ihrem Ergebnis gemessen werden. Kein Wunder, denn, daß Politiker von Format landauf, landab reisen, um in Reden und Diskussionen noch möglichst viele der unentschlossenen Wähler für sich zu gewinnen, daß die Gewerkschaften bis auf weiteres auf einen neuen Generalstreik verzichteten, um die Italiener nicht noch mehr mit der ganzen sozialen Unrast zu langweilen oder gar das Gegenteil von dem zu erreichen, was sie jetzt am meisten fordern: Baldige Verwirklichung durchgreifender Strukturreformen — all das versteht sich von selbst.

Im Gegensatz zu den Jahren 1963 umd 1964, als sie noch getrennt marschierten, wollen die drei großen Gewerkschaften nicht mehr klein beigeben und schlössen sich deshalb zusammen, wodurch sie plötzlich einen Machtfaktor erster Ordnung darstellen und manchmal mit bloßen Streikdrohungen der unter sich kaum einigen Regierung ihren Willen aufzwingen können. Daß sie auf diese Weise Geschmack an der Machtausübung bekamen und Aufstände von Stapel ließen, die ohne konkrete Vorteile für die Arbeiterschaft blieben, ja mit der verminderten Produktivität der Wirtschaft die mühselig errungenen Positionen in Frage stellten, ist unverkennbar.

Nach der alten Politik des „je schlechter desto besser“ schlagen die Kommunisten aus der allgemeinen Unzufriedenheit Kapital, schieben aber diese aufs Konto des schwachen Kabinettes links von der Mitte. Der Verdacht drängt sich auf, daß auch sonst die soziale Unrast der KPI am meisten nützt. Werden CISL und UIL wirklich nicht mehr von der Democrazia Cristiana und den sozialdBtischen Parteien kontrolliert, so wahrt die größte Gewerkschaft CGIL nur dem Scheine nach eine entsprechende Unabhängigkeit von der KPI, indem die Chargen zwar fein säuberlich voneinander getrennt sind, aber ihre Träger hinter den Kulissen wie Marionetten von den gleichen Drahtziehern dirigiert würden.

Ist das kommunistische Spiel also offensichtlich, so gehen die Gewerkschaftsführer der CISL und UIL allerdings ihre eigenen Wege, wie der einstweilige Verzicht auf den Generalstreik vor einigen Tagen zeigte. Der frühere prominente Arbeiterführer Donato Cattln ist seit einem Jahr Arbeitsminister und als solcher eine Art trojanisches Pferd der Regierung im gewerkschaftlichen La--ger. Neben zahlreichen problematischen Seiten haben Centro Sinistra und Gewerkschaftliche Einheit einen gewichtigen Vorteil: Da die Regierung so weit links steht und die unter sich einigen Gewerkschaften so weit rechts, kommt es selten zu ernsten Zusammenstößen zwischen Regierung und Arbeitnehmern.

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