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ERHARD BUSCHBECK / LYNKEUS DES WIENER BURGTHEATERS

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Es ist ganz einfach unfaßbar, daß er nicht mehr da sein soll, nicht mehr an seinem alten Platz im Burgtheater, zu dem er gehörte, seit er es in dem Schicksalsjahr Österreichs betrat, 1918. „Ich nehme Sie mit mir“, sagte zu Erhard Buschbeck der Ereund Hermann Bahr, der damals der Direktor wurde, „als mein Dramaturg. Wie lange werden wir schon bleiben? Nach einem Jahr sitzt jeder von uns wieder bei seiner eigenen Arbeit.“

Eür Bahr hat das gestimmt. Doch Buschbeck blieb. Der Neunundzwanzigjährige, am 6. Jänner 1889 in Salzburg zur Welt Gekommene, hat Georg Trakl und Theodor Däubler nahegestanden, deren Werke er herausgab und kommentierte, er verfiel diesem vielbewunderten und vielgelästerten Haus mit Leib und Seele. Die Direktoren um ihn kamen und verschwanden. Dichter gingen an seinem Horizont auf und nieder wie die Sterne — Erhard Buschbeck rauchte weiter seine Virginia an seinem Schreibtisch im ersten Stock des rechten Seitenflügels, er erschien auch sonntags, wo er gar nichts dort zu suchen hatte, doch es konnte sein, daß in der hundertköpfigen Hydra des Ensembles jemand ausfiel, den man ersetzen mußte, womöglich noch am selben Abend — er allein wußte Rat. Er kannte genau den Verwaltungsapparat und seine Menschen und wo der saß, den man im Augenblick brauchte. Er lebte in jedem Mitglied des Ensembles und wußte um seinen Wert. Er konnte auch in einem Interregnum ohne Direktor das Haus leiten, doch kein Direktor kam je ohne Erhard Buschbeck aus.

Auch für die ungeduldigsten Autoren fand er Zeit und gute Worte, so daß sie getröstet schieden mit der Überzeugung, daß, wenn schon nicht dieses Stück, das nächste bestimmt zur Annahme gelangen würde. Überzeugte ihn aber einmal ein Stück, so setzte er sich über alle Hindernisse hinweg auch dafür ein. An mir erlebte ich das zweimal, zum ersten Hai, als ich ihm an seinem Kärntner Sommersitz meinen „Dritten November“ vorlas. Röbbeling zögerte, doch Erhard Buschbeck ließ nicht locker, bis der Direktor den Vertrag unterschrieb. Bei meinem zweiten Stück „Gewesene Menschen“, für das er eintrat, kam ihm Hitler dazwischen und der blieb damals, 1938, stärker. Als guter Geist

des Hauses hat aber Erhard Buschbeck auch in dieser schweren Zeit gewaltet und gewacht über das, was für ihn die Seele des Burgtheaters immer gewesen ist.

Dabei drängte in ihm seit seiner Jugend Sehnsucht nach einem eigenen Schaffen, von dem verheißungsvoll Anfänge sich schon damals abzeichneten. Er stand bei den „zornigen jungen Männern“ vor 1914, bei Adolf Loos, bei Karl Kraus, bei Arnold Schönberg, bei Egon Eriedell und bei Peter Altenberg. Unvergessen bleibt ihm die Ohrfeige, die er einem randalierenden Gegner Schönbergs im Konzertsaal versetzte; der Herr Hofrat Doktor Erhard Buschbeck erinnerte sich noch Jahrzehnte später schmunzelnd dieser Episode. Er schrieb einen Roman über den Salzburger Renaissancefürsten, den Erzbischof Wolf Dietrich, und über dessen bitteres Ende auf der Hohensalzburg. Eine Erzählung, ,J)ie Dampf-tramway“, huldigte humorvoll dem Genius loci seiner Heimatstadt. Über die Medelski und Aslan verfaßte er Biographien. Die Jugenddichtungen Trakls sammelte er, theatergeschichtliche Essays gab er heraus, und seine letzte Arbeit ist ein Auswahlbändchen über mich gewesen (,J)u bist gemeint“ im Grazer Stiasny-Verlag erschienen), das er mit einer liebreichen Sorgfalt tingeleitet hat. Die Trauer um ihn wird eine allgemeine sein, weil er in diesem Leben keinen Fetnd besaß, die Besessenheit für sein Theater ausgenommen, die ihn verzehrte, eines Theaters, dessen Größe er ebenso genau kannte, wie seine Schwächen und dem er dennoch diente bis zu seinem letzten Atemzug.

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