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GUTER GEIST DES BURGTHEATERS

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Wer in den ktztvergangenen Jahrzehnten, zurück bis in die „zwanziger Jahre“, irgend etwas mit dem Wiener Burgtheater zu tun hatte, dem ist der Name Erhard Buschbeck unvergeßlich. Offiziell hieß er wohl früher „Dramaturg“, später so etwas wie Direktionsstellvertreter oder Vizedirektor — aber ob er nun dem Theater mit seinem dramaturgischen Wissen und Feingefühl oder bei dem delikaten Vorgang der Besetzung, des richtigen Einsetzens der Schauspieler und der richtigen Repräsentation eines Stückes, mit seiner Menschenkenntnis oder seiner überlegenen literarischen Bildung und Erfahrung beistand, immer diente seine Wirksamkeit dem Besten des Hauses, des Künstlers und der Kunst, immer ging von seiner behutsamen, leisen, oft kaum bemerkbaren Einflußnahme eine Art von Ausgleich und Befriedung in diesem von vielerlei Zwietracht duchpflügten Kampf gelände:aits;<Habei iWdS'jtt keineswegs ein Matt des Leisetretern xider des Kompromisses, sondern im Cegenteilieinu Charakter von stiller; aber unbrechbarer Beharrlichkeit! Er kannte eben dieses Haus, er kannte das Labyrinth dieses einzigartigen Theatergebildes, aber auch den Ariadnefaden, mit dem man aus den Verwirrungen und Konflikten herauskam, er kannte den „Betrieb“, von den Nevenspannungen der Generalprobe bis zu den Nervenzerreißproben der Verhandlungen mit Behörden, mit Ministerien, mit sozialen Körperschaften, er beherrschte all dieses und war sich doch immer eines künstlerischen, geistigen Auftrags bewußt, der für ihn der eigentlich wesentliche und der einzige wahre Anlaß zu einer Dauerexistenz als eines „Beamten“ der Bundestheaterverwaltung bedeutete.

Direktionen kamen und gingen, Regisseure und Protagonisten wechselten, Regierungen wurden gestürzt und stürzten selber, politische Erschütterungen und schließlich die Kriegsgeißel, das Feuer vom Himmel suchten das Burgtheater heim, zwange es zur Emigration, bis ihm neue Heimkehr an die alte Stätte geschenkt war, die Menschen und selbst die Steine wechselten und wandelten sich: Erhard Buschbeck blieb, und mit ihm, durch ihn, blieb etwas erhalten, was man im besten Sinne den „Geist des Burgtheaters“ nennen kann. Daß hinter dieser klaren und breitgemeißelten Stirn, hinter diesem gelassen, von nachdenklichen, gütigen und vielleicht ein wenig skeptischen Augen belebten Angesicht der Geist und die Seele, auch die Wortkraft, eines Dichters wohnten, wußten wenige. Er war kein Mann der Exhibition. Er liebte nicht große Worte. Er liebte unter Freunden ein gutes, ruhiges, sachlich-beschwingtes Gespräch, bei dem es keiner Phrasen bedurfte und bei dem niemals Hast oder Unmut aufkam, bei dem ihm die Virginia nicht ausging, und das mit kleinen, aber häufigen Schlucken eines guten, sauberen Weins befeuchtet wurde. Den „Kutscherwein“ pflegte Buschbeck seinen Freunden zu empfehlen, wenn man sich in einem Beisel traf, nämlich den, der auf der Karte der billigste war: der ist garantiert naturrein, sagte er dann lächelnd — bei dem lohnt sich's den Händlern und den Wirten nicht, ihn zu pantschen. Das ist ganz Buschbeck: dieser ebenso realistische wie hintergründige Humor, der das große österreichische Volkstheater geprägt hat, es ist Geist vom Geiste Nestroys. In seiner Jugend Freund und Gefährte des weitaus bedeutendsten österreichischen Lyrikers unserer Zeit, des früh verstorbenen, genialen Georg Trakt, wurde er auf seinem Weg von machtvollen Gestalten der älteren Generation geleitet und gestützt, ich nenne Hermann Bahr, Theodor Däubler, und von den Dichtern seiner Altersstufe Franz Werfet, der ihn bewunderte und liebte.

..Er wurde entzückt in das Paradies, und hörete unaussprechliche Worte, wie sie kein Mensch sagen kann“ — diesen Spruch aus dem Buch Jesus Sirach fand Gerhart Hauptmann, auf dem Sterbebett, als er in der Bibel seiner Jugendjahre blätterte. Er sprach dann nichts mehr bis zu seiner letzten Frage — und es soll, als er sich diesen Vers mehrere Male vorlesen ließ, ein Ausdruck unbegreiflicher Seligkeit, mystischer Verklärung, auf seinem Antlitz geblieben sein. Ahnliches wußte und empfand Erhard Buschbeck, und sein Aufsatz über die Wortwerdung, Fluch und Segen, ist von großem Aufschluß für sein Wesen und sein geheimes Denken: im Grund war er ein Dichter — der „wortlos“ dichtete — und fast empfinde ich eine Spur von Neid: welcher Dichter kamt sich das leisten . . ? Aber wir wissen ja doch alle, so wir ehrlich sind, daß unsere schönsten Gedichte die ungeschriebenen sind, die mit uns in die Grube fahren und — vielleicht — mit uns auferstehen am Jüngsten Tag.

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