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Stacheldraht im Herzen
LÄSTIGER BESUCH. Roman von Hans Mar tinsen. Verlag „bibllotheca Christian , Bonn am Rhein. 243 Seiten. Preis 16.80 DM.
LÄSTIGER BESUCH. Roman von Hans Mar tinsen. Verlag „bibllotheca Christian , Bonn am Rhein. 243 Seiten. Preis 16.80 DM.
„Du gehst mit geschlossenen Augen über eine schmale, geländerlose Brücke und stellst dir vor, auf einer breiten Landstraße zu sein, rechts und links kilometerweit nichts als flaches Feld. Das ist deine Sicherheit. Hörst du denn nicht, daß deine Schritte hohl klingen? Spürst du es nicht kühl an der Sohle, wenn dein Fuß schon zur Hälfte über den Abgrund ragt?“
Dieser Satz aus dem inneren Monolog des Buches kennzeichnet die Absichten. Wie in der kürzlich besprochenen Novelle „Jäger im Park“ formiert Martinsen auch in seinem ersten Roman jene Kräfte, die den Menschen aus dem Selbstbetrug von Unabhängigkeit und Sicherheit reißen. Für die Generation, deren junges Gewissen im Krieg deformiert wurde, werden die Bilder des
Schreckens zeitlebens in Abständen die Träume beherrschen. Die Tat- und Erfolgsmenschen haben der „unbewältigten Vergangenheit“ einen abwertenden Beigeschmack (wie vergessene Hausaufgabe) gegeben. Die Moralisten nennen die Soldatenträume Skrupel, und die Psychologen sprechen von Komplexen. Am Katheder hört sich das gut an, in der Diskussion hilft es über Peinlichkeiten hinweg. Aber der Stacheldraht im Herzen wird dadurch nicht zur glatten Perlonschnur.
Solche Überzeugungen festigt die Geschichte des Helden, der an einem Tag X seinem vor zwanzig Jahren gefallenen Freund im Geiste begegnet. Der Tod hat ihn verklärt. In die
Milieuschilderung des Funkhauses, in dessen Unterhaltungsmusikabteilung der Held arbeitet, werden die Stationen an der Front geschickt eingeblendet. Hans Martinsen erweist sich in der Schilderung eines Konzerts als ausgezeichneter Kenner und Liebhaber der ernsten Musik. Auch Jagdszenen weisen — wie in der Erstlingsnovelle — auf innere Vertrautheit hin. Gefühle des Menschen am Arbeitsplatz, Geschwätz einer alten Nachbarin: der Autor trifft sie haarscharf.
Aber er hat auch seine Schwächen. Die Dialoge der Soldaten sind Null-acht-fuffzehn-Deutsch. Die Gespräche des jungen Mannes mit seinem Vorgesetzten im Funkhaus sind nach Böll-Modell, zwar typisch, aber praktisch unmöglich. Mit der Liebe ist es gegenüber der Novelle zwar glaubhafter, aber nicht ganz sicher geworden. Martinsen ist ein Grübler, dem gewisse Themen noch leicht zum Klischee werden.
Aber man darf diesen Erstlingsroman nicht nur literarisch werten. Er überragt in seiner ethischen Haltung die meisten neueren Romane und trieft dennoch nirgends von Tendenz. Die Lektüre wird in erster Linie Männer ansprechen.
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