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Aufbruch gegen globales Unbehagen

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In der Freiheitlichen Partei Österreichs hat vergangenes Wochenende mit der Wahl des Grazer Bürgermeisters Alexander Götz zum Bundespar-teiobmann eine neue Ära begonnen. Der frischgebackene Generalsekretär der FPÖ, Helmut Krünes, faßte aus diesem Anlaß einige Gedanken zu den heutigen Grundlagen freiheitlicher Politik für die FURCHE zusammen.

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In der Freiheitlichen Partei Österreichs hat vergangenes Wochenende mit der Wahl des Grazer Bürgermeisters Alexander Götz zum Bundespar-teiobmann eine neue Ära begonnen. Der frischgebackene Generalsekretär der FPÖ, Helmut Krünes, faßte aus diesem Anlaß einige Gedanken zu den heutigen Grundlagen freiheitlicher Politik für die FURCHE zusammen.

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Im Bereich freiheitlich denkender Menschen in Österreich herrscht im Augenblick eine Aufbruchstimmung, die zu analysieren sich lohnt. Sie hängt sicher zusammen mit dem Wechsel des Parteiobmannes. Ebenso stark ist jedoch der Einfluß der innenpolitischen Situation in Form der zu Ende gehenden Legislaturperiode der derzeitigen Bundesregierung, und der damit verbundenen bevorstehenden Nationalratswahlen. Es wäre dies jedoch keinesfalls ausreichend, um jene tiefgehende Aktivierung, jene hoffnungsvolle Erwartung auf die Zukunft zu begründen.

Weit über die Grenzen der politischen Parteien hinaus sind im zunehmenden Maße freiheitliche Grundideen verstärkt in positiver Diskussion. Es ist nicht mehr wie in den fünfziger oder sechziger Jahren, wo jede Diskussion über freiheitliche Grundsätze immer dahin führte, daß festgestellt wurde, der österreichische Staat, die österreichische Verfassung hätten die Ideen des Liberalismus verwirklicht, es gäbe keine zukünftige historische Aufgabe für eine freiheitliche politische Richtung. Der Hinweis auf die Notwendigkeit der ständigen kritischen Uberprüfung der Richtigkeit solcher Behauptungen wurde in der Euphorie des Aufbaues der Zweiten Republik abgetan.

Gerade dieses Aufbaubewußtsein der Zeit direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist der Grund für das Zurückdrängen des freiheitlichen Gedankengutes aus dem wirklichen politischen Agieren. Jede Diskussion über politische Grundwerte wurde in den vergangenen Jahrzehnten mit

dem Hinweis der sprunghaften Verbesserung nach dem Krieg, der ständigen materiellen Besserstellung abgetan. Auch damals bereits gegebene Kritik an der übergroßen Macht der Parteiblöcke, an der totalen Abhängigkeit des einzelnen von der Willkür dieser Parteien, an der ständigen Ausweitung des staatlichen Machtapparates, an der Verbürokratisierung immer größerer Bereiche des menschlichen Lebens wurden angesichts der tatsächlich erkennbaren materiellen Erfolge für den einzelnen als reines Kritikastertum abgetan.

Die auslaufenden siebziger Jahre erlauben das Hinweggehen über die Diskussion von Grundwerten nicht mehr mit dem Hinweis auf die ständige materielle Besserstellung des Großteils der Österreicher. Der neue Ausweg, der Hinweis, daß jedes Kritisieren zu einer echten Krise führen könnte, daß daher Ruhe die höchste Bürgerpflicht sei und nur dadurch die Sicherung der gefährdeten Arbeitsplätze gegeben sei, ist nur mehr ein Behelf und nicht mehr auf so brei-

ter Ebene tragend wie die seinerzeitige Aufbruchsstimmung.

Es ist daher ganz verständlich, daß ein Staat, der an den Grenzen seiner Finanzierbarkeit angelangt ist, wieder jenen kritischen Fragen, aber nunmehr aus verschiedensten Bevölkerungsbereichen und nicht mehr aus einer kleinen Gruppe besonders kritischer, eventuell auch Benachteiligter, ausgesetzt ist. Wieder werden die Fragen von früher gestellt.

Noch sind es Außenseitergruppen, die die Frage nach der Legitimität des Staates stellen. Doch sollte dies nicht dazu führen, nach einer vieljährigen breiten Konsensbasis im Bekenntnis zu diesem Staat das Auftauchen politisch unbedeutender Gruppierungen als ebenso unbedeutende Symptome abzutun. Dies um so mehr, da es ein Legitimitätsproblem der gesamten westlichen Industriegesellschaft gibt und es daher merklich ist, daß Österreich hier nur Ausstrahlungen von globalen Krisensymptomen registriert. Deutlich ist bereits die Kritik an der ständigen Ausweitung des

Staates in immer weitere Bereiche des Lebens geworden. Der Staat als Löser aller Probleme in jedem möglichen Bereich des menschlichen Lebens ist zumindest in Zweifel gestellt.

Zu der Kritik an der ständigen Ausuferung staatlicher Apparate tritt die Gegnerschaft zu dem Vordringen bürokratischer Institutionen weit über den staatlichen Bereich hinaus. Galt es vor einiger Zeit als ideale Lösung, jede öffentliche Aufgabe durch zusätzliche Ausschüsse, Kommis-sionenfJder Gremien anderer Art behandeln zu lassen, so erweckt das Ergebnis dieser Lösungsversuche Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens.

Weit über diese eher organisatorischen Krisenerscheinungen hinaus ist ein unverkennbares globales Unbehagen in breiten Schichten der Bevölkerung registrierbar. Dies erschöpft sich keinesfalls in Gegnerschaft zu Kernkraftwerken oder einzelnen Umweltschutzaktionen. Es sind dies vielmehr ebenfalls nur Symptome zu jenem Unbehagen, das sich aus einer rückgestauten Diskussion um den Wert des Lebens und um die Hoffnung auf eine menschliche Zukunft ergeben.

Mit dem Wegfall des Irrglaubens an einen Staat, der alle Probleme des einzelnen lösen kann, entsteht ein neues Bedürfnis nach einem eigenverantwortlichen Selbertun. Es wird den Menschen wieder bewußt oder es kann ihnen zumindest zu Bewußtsein gebracht werden, daß Freiheit des einzelnen sich im eigenverantwortlichen Handeln innerhalb der Gemeinschaft manifestieren muß. Erfreuliche Initiativen in der Arbeitswelt im Bereich sozialer Dienste, im Kulturellen, in den verschiedensten anderen Bereichen des menschlichen Lebens zeigen eine spontane Umkehrfähigkeit zu freiheitlichen Verhaltensweisen.

Aufgabe freiheitlich denkender Menschen muß es sein, aus der Kritik an staatlichen Institutionen, an Fehlentwicklungen im staatlichen Einflußbereich weiterzufinden. Die Diskussion in diese Richtung hat bereits begonnen. Es findet eine, wenn auch noch nicht sehr stark verbreitete kritische Beleuchtung der Notwendigkeit statt, staatlichen Institutionen in allen Bereichen des menschlichen Lebens die Bewältigung der Hauptaufgaben zu übertragen. Erst wenn die Mentalität zurückgedrängt wird, daß in jeder kritischen Situation der Staat einzuspringen hätte, kann jener Widerspruch gelöst werden, daß Menschen gegen den immer stärker ausweitenden staatlichen Apparat sind, jedoch ständig neue Forderungen erheben, wo der Staat zusätzliche Aufgaben zu übernehmen hätte.

Dem globalen Unbehagen wird durch einzelne Besserungsversuche nicht anzukommen sein. Dagegen hilft nur eine grundlegende Änderung des geistigen und politischen Klimas. Globales Unbehagen kann nur durch umfassende Aufbruchstimmung, durch ein Klima der optimistischen Bereitschaft, Schwierigkeiten zu beheben, bekämpft werden.

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