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Berührungsängste abgebaut

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Seit seiner Gründung im Jahre 1981 widmet sich der Österreichische Kunsthistorikerverband im Rahmen von Tagungen und Kongressen dem Verhältnis zwischen dem eigenen Fach und seinen Rand- und Hilfswissenschaften. Der Untertitel des 6. Österreichischen Kunsthistorikertages, der vom 26. bis 29. September in Linz zum Thema „Kunstgeschichte interdisziplinär" abgehalten wurde, lautete daher: „Berührungspunkte - Berührungsängste".

Mit den theoretischen Möglichkeiten und Grenzen der wissenschaftlichen Erfassung und Vermittlung von Kunst beschäftigte sich unter anderen der Linzer Hochschuldozent Wilfried Lipp.

Er verwies auf den „mythischen" Anteil im Kunstwerk, der in jüngster Zeit verstärkt Beachtung findet. Neben Tendenzen zu dessen Verklärung oder den Versuchen seiner Enträtselung wird auch eine Position erkennbar, die den Kunstbetrachter von allen „eindeutigen" Erklärungsvorgaben zu entlasten versucht, um das Potential subjektiver Auslegung freizumachen.

Für die Kunstgeschichte bilden diese „neomythischen" Tendenzen eine besondere Herausforderung.

Daß diese Thematik durchaus sachlich behandelt werden kann, bewies der aus Kiel stammende Philosophieprofessor Kurt Hübner. Die Vorstellung dessen, was „Wirklichkeit" ist, ist einem permanenten Wandlungsprozeß anheimgestellt, der sich im Wandel der Stile bildnerisch zu erkennen gibt. „Wirklichkeit" ist also nie in ihrer Gesamtheit (das heißt „an sich") zu erfassen, doch in Werken der bildenden Kunst zeigt sie sich unter jeweils anderen Bedingungen in „bild-logischer" Formulierung.

Das Bild als Prozeß

Über die „Neue Mythenfreundlichkeit" im philosophischen Denken und Schreiben sprach der in Bochum lehrende Philosoph Willi Oelmüller, der dieses Phänomen in engem Zusammenhang mit der Veränderung menschlicher Wahmehmungs- und Umgangsformen durch die neuen Kommunikationsmedien sieht.

Stärkerauf methodische Fragen der Bildauslegung bezogen waren die Ausführungen des Basler Ordinarius für Kunstgeschichte Gottfried Boehm.

Davon ausgehend, daß es sich bei der Erschließung von Kunstwerken um einen Prozeß handelt, während dessen sich eine anfängliche Hypothese im Zuge der historischen Erzählung zur kunstgeschichtlichen Tatsache verdichtet, vertritt er eine hermeneu-tische Methode, die dem „Bild als Prozeß" Rechnung trägt.

Die Verbindung zur Kunstgeschichte aus der Sicht anderer Disziplinen verdeutlichten der Linzer Theologe Günter Rombold, der Düsseldorfer Soziologe Hans P. Thum und der Wiener Medienkünstler Peter Weibel.

Eine Reihe von Kunsthistorikern demonstrierte verschiedene Möglichkeiten einer interdisziplinären Behandlung des Landschaftsbildes, wobei das Themenspektrum von der klassischen Landschaftsmalerei über historische Gartenanlagen bis zur „Land art" reichte. Im Zusammenhang mit dem Wandel der Landschaftsauffassung seit dem 19. Jahrhundert war der Vortrag von Wolfgang Kos über die Region der Semmeringbahn besonders aufschlußreich.

Alle Referate dieser Veranstaltung werden in einer Sondernummer der Zeitschrift „Kunsthistoriker" im Dezember erscheinen.

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