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Der Star war Anja Silja

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Für den ersten Teil des 1. Konzertes „Die Große Symphonie” hatte Christoph von Dohnänyi Schumanns 2. Symphonie gewählt: die längste, aber keineswegs die schönste der vier Schwestern. Für Schumann, den Symphoniker, konnte und kann sich der Autor dieses Kurzberichts nicht recht erwärmen, mit Ausnahme der langsamen Sätze. So auch diesmal. Ob es dem Dirigenten ähnlich erging? Aber dann hätte er ja etwas anderes proponieren können. Doch mit dem „Adagio espressivo” wurde es interessant. — Dagegen war die Interpretation von Schönbergs selten gespieltem Monodram in einem Akt „Erwartung” nicht nur interessant, sondern faszinierend vom ersten Takt an, trotz des dilettantischen Textes des Fräuleins von Pappenheim, die, acht Jahre jünger als Schönberg, aus Preßburg kam, in Wien Medizin studierte und in den Schönbergkreis Eingang fand. Sie hatte literarische Ambitionen, Schönberg suchte einen Opemtext, und so entstand in Traunkirchen innerhalb von drei Sommerwochen des Jahres 1909 dieser Text: Eine Frau wartet im nächtlichen Wald auf ihren Geliebten, aber sie findet ihn, offenbar von oder zu einem Seitensprung, tot, ermordet. — Chronologisch steht das von Schönberg innerhalb kürzester Zeit komponierte 30-Minuten-Stück zwischen den George-Liedem und dem „Pierrot lunaire”, als Schönberg mit der menschlichen Stimme und ihren Möglichkeiten experimentierte. Die Solistin soll nämlich nicht nur singen, sondern auch sprechen, flüstern, schreien, wispern. — Die zwar für großes Orchester gesetzte, aber kammermusikalisch klingende Partitur gehört zum Raffiniertesten, das Schönberg geschreiben hat. Und was er von der Solistin verlangt, ist enorm. Da war Anja Silja die rechte Interpretin. Schönberg hätte seine helle Freude an ihr gehabt. Diese ungewöhnliche Künstlerin vereinigt

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Für den ersten Teil des 1. Konzertes „Die Große Symphonie” hatte Christoph von Dohnänyi Schumanns 2. Symphonie gewählt: die längste, aber keineswegs die schönste der vier Schwestern. Für Schumann, den Symphoniker, konnte und kann sich der Autor dieses Kurzberichts nicht recht erwärmen, mit Ausnahme der langsamen Sätze. So auch diesmal. Ob es dem Dirigenten ähnlich erging? Aber dann hätte er ja etwas anderes proponieren können. Doch mit dem „Adagio espressivo” wurde es interessant. — Dagegen war die Interpretation von Schönbergs selten gespieltem Monodram in einem Akt „Erwartung” nicht nur interessant, sondern faszinierend vom ersten Takt an, trotz des dilettantischen Textes des Fräuleins von Pappenheim, die, acht Jahre jünger als Schönberg, aus Preßburg kam, in Wien Medizin studierte und in den Schönbergkreis Eingang fand. Sie hatte literarische Ambitionen, Schönberg suchte einen Opemtext, und so entstand in Traunkirchen innerhalb von drei Sommerwochen des Jahres 1909 dieser Text: Eine Frau wartet im nächtlichen Wald auf ihren Geliebten, aber sie findet ihn, offenbar von oder zu einem Seitensprung, tot, ermordet. — Chronologisch steht das von Schönberg innerhalb kürzester Zeit komponierte 30-Minuten-Stück zwischen den George-Liedem und dem „Pierrot lunaire”, als Schönberg mit der menschlichen Stimme und ihren Möglichkeiten experimentierte. Die Solistin soll nämlich nicht nur singen, sondern auch sprechen, flüstern, schreien, wispern. — Die zwar für großes Orchester gesetzte, aber kammermusikalisch klingende Partitur gehört zum Raffiniertesten, das Schönberg geschreiben hat. Und was er von der Solistin verlangt, ist enorm. Da war Anja Silja die rechte Interpretin. Schönberg hätte seine helle Freude an ihr gehabt. Diese ungewöhnliche Künstlerin vereinigt

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Intelligenz, und zwar nicht nur musikalische, mit einer Stimmfertigkeit und Vortragskunst, die heute ihresgleichen im deutschsprachigen Raum kaum hat. Außerdem besitzt sie eine so starke intellektuell-erotische Ausstrahlung, daß man die Banalitäten des Pappenheimschen Textes überhört. — Das Orchester der Wiener Symphoniker, das bereits in der Schumann-Symphonie Respektables geleistet hatte, gab jetzt sein Bestes, Differenziertestes und Stärkstes. So auch der Dirigent.

Das „Ensemble I” bemüht sich auch in der heurigen Saison um abwechslungsreiche, ausgefallene Programme. Nach Michael Haydns Divertimento G-Dur für Flöte, Horn, Violine, Viola und Violoncello konnte man an der Serenade op. 25 für Flöte, Violine und Viola von Beethoven feststellen, um wieviel plastischer die Einfälle des Großmeisters gegenüber der gefälligen Gesellschaftsmusik des 18. Jahrhunderts waren. Die Wiedergabe gewann durch Pinschofs Virtuosität auf der Flöte, war aber ansonst klanglich bei weitem nicht ausgefeilt; hier wirkte sich verschärfend der im halbvollen Zustand überakus’tische Schubertsaal aus. Nach einem gewichtslosen, kurzen C-Dur-Trio von dem Beethoven-Zeitgenossen Duvernoy gab es eine interessante Begegnung mit dem knapp 50jährigen Holländer Robert Heppener. Sein „Quartetto für Altflöte, Violine, Viola und Violoncello” wies ihn als einfallsreichen Musiker aus, der Temperament und Klangsinn mit satztechnischem Können vereint und einen anregenden homophonen postexpressionis’tischen Stil schreibt. — Eine „Neuheit” besonderer Art bildete den Abschluß: der wiederaufgefundene erste Satz eines Klavierquartettes des 16jähri- gen Gustav Mahler. Ganz wie zu erwarten, entpuppte sich das Werk als durchaus beachtlicher Gehver

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