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Lob der Kammermusik

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Wie unmittelbar gerade Kammermusik zu berühren vermag, konnte man vergangene Woche in drei Konzerten im Schubert-Saal und in einem — es sei vorweggenommen, daß es das bedeutendste war — im Musikverein erleben. Endlich gab es wieder einmal Musik für Streichtrio zu hören: Das Neue Wiener Streichtrio, angeführt von dem übersensiblen Thomas Kakuska, spielte nach der eleganten Bearbeitung der Haydn-Klaviersonate Hob. XVI/40 Beethoven, und zwar das c-Moll- Trio und die Serenade op. 8. Kakus- kas Musikalität, die alles mit geradezu volksbildnerischem Eifer auszudeuten bemüht ist, führte allerdings teilweise zu explosiver Nervosität und Höllentempi, riß das Publikum aber durch den bedingungslosen Elan der Wiedergabe zu Beifallsstürmen hin.

Ausschließlich der Barockmusik war ein abwechslungsreich gestalteter Abend für Sopran, Flöte und Cembalo gewidmet. Rotraut Hausmann sang sieben Arien und eine Kantate des neapolitanischen Opernmeisters Alessandro Scarlatti mit weiblichem Raffinement und gab mit ihrem gutgeführten Sopran Proben ihres Ausdrucksreichtums. Wolfgang Schulz, der sie mit Johann Sonnleitner kongenial akkompag- hierte, blies Bachs Sonate II, e-Moll, BWV 1034, festlich-kraftvoll und mit leidenschaftlichem Engagement in bestechendem Stil. Johann Sonnleitner brillierte technisch mit Bachs D-Dur-Partita, BWV 828, nicht zuletzt aber durch die nervlich souverän bewältigte kleine Reparatur seines Cembalos auf „offener Szene”.

Das „Collegium musicale” brachte nach hübschen Bläserensembles von Mozart und Beethovens Freund Anfon Reichą klangorientierte Musik unseres Jahrhunderts: Andrė Jolivet verzaubert durch den kostbaren Zusammenklang von Flöte, Fagott und Harfe in seinen „Pastorales de Noel”, Jean Frangaix’ witzig-freches Bläserquartett mit all seinen sprudelnden Einfällen wurde mit Schmiß und plattenreifer Präzision zu einem wahren musikalischen Hauptvergnügen, neben dem die „Tanzsuite” für Sextett von Hans Hadamovsky trotz aller handwerklichen Qualitäten abfallen mußte. Den Damen Schmidt und Schwarz und den Herren Exl, Göllner, Schranz, Lorenzi und Istler gebührt ein Pauschallob für das anregende Konzert.

Das „Orchestra de Chambre Jean- Franęois Paillard” ist ein Klangkörper, der auf der ganzen Welt keine Konkurrenz zu scheuen hat. Im Musikverein ließ es vier seiner wichtigsten Solisten einzeln und als Krönung in Bachs zweitem „Bran- denburgischem” über jedes Lob erhaben schön und festlich «gemeinsam musizieren. Maurice Andrė, bereits Wiener Publikumsliebling, schmetterte aufrauschenden Glanz von Handels Suite für Trompete und Streicher in den „Goldenen Saal”, wogegen der vogelleichte und gesangliche Ton von Maxence harrieus Flöte (Konzert op. 29 von Stamitz) wirkungsvoll kontrastierte. Bachs c-Moll-Konzert BWV 1060 vereinigte in der „Rückübertragung” und Transposition nach D-Dur Violine und Oboe. Man wußte dabei nicht, was man mehr bewundern sollte: die Musikalität und Bogenkultur von Gėrard Jarry, den unerschöpflichen Atem und schwingenden Oboeton Jacques Chambons, oder die kongeniale „Begleitung” durch Paillard und sein Meisterensemble. Wie gut, daß es von diesem Klangkörper schon mehr als 200 Langspielplatten gibt!

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