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„Die Marktwirtschaft ist von sich aus schon sozial…

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Professor Dr. Alfred Müller-Armack war als Leiter der Grundsatzabteilung und als Staatssekretär im deutschen Bundesministerium für Wirtschaft der Schöpfer der Bezeichnung und der Begründer der Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft als eigenständige Sozial- und Wirtschaftsordnung, die die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Kriegsende entschieden und auch andere Länder maßgeblich beeinflußt hat. Der wirtschaftliche Aufstieg der Bundesrepublik war kein „Wunder”, sondern ist durch diese Politik zu erklären, die eine Mobilisierung aller Kräfte in einem Rahmen freiheitlicher Ordnung bewirkt hat.

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Professor Dr. Alfred Müller-Armack war als Leiter der Grundsatzabteilung und als Staatssekretär im deutschen Bundesministerium für Wirtschaft der Schöpfer der Bezeichnung und der Begründer der Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft als eigenständige Sozial- und Wirtschaftsordnung, die die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Kriegsende entschieden und auch andere Länder maßgeblich beeinflußt hat. Der wirtschaftliche Aufstieg der Bundesrepublik war kein „Wunder”, sondern ist durch diese Politik zu erklären, die eine Mobilisierung aller Kräfte in einem Rahmen freiheitlicher Ordnung bewirkt hat.

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Professor Müller-Armack entwik- kelte seine Gedanken als evangelischer Religionssoziologe und Professor für Nationalökonomie aus den Prinzipien der christlichen Soziallehre und der damit eng verbundenen Theorie des Neoliberalismus. Er sprach anläßlich des 70. Geburtstages von Professor Dr. Reinhard Kamitz, langjähriger österreichischer Finanzminister und Nationalbankpräsident, im Wiener Industriehaus über „Soziale Marktwirtschaft als internationale Ordnung” und wurde dazu von der FURCHE interviewt.

FURCHE: Von sozialistischer Seite (Bundeskanzler Helmuth Schmidt und Vizekanzler Androsch) wurde behauptet, die Bezeichnung „Soziale Marktwirtschaft” sei ein Widerspruch in sich, da die Marktwirtschaft ihrem Wesen nach nicht sozial sein könne.

MULLER-ARMACK: Die Marktwirtschaft ist insofeme von sich aus schon sozial und demokratisch, als der Konsument bestimmt, was, wo und wieviel an Gütern und Dienstleistungen produziert wird, und im System die Leistung honoriert wird und der Markt den bisher besten Anpassungsmechanismus für die laufenden Strukturänderungen bietet, darüber hinaus aber ist das System der Sozialen Marktwirtschaft durch zusätzliche Maßnahmen sozial, die allen jenen ein Einkommen ermöglichen, die auf dem Markte noch oder vorübergehend nichts oder nichts mehr anzubieten haben. Als sogenannte „zweite Einkommensverteilung”, die die erste (durch den Markt) korrigiert, werden die Familien- und Kinderbeihilfen, Krankenkassen- und Arbeitslosenversicherungsleistungen sowie die Alterspensionen bezeichnet. Zu den Kennzeichen sowie Ordnung gehören auch feste Rahmenbedingungen, wie die Währungsordnung, der Umweltschutz, das Bildungssystem, die Förderung des Wettbewerbs …

FURCHE: Der Wettbewerb und die internationale Arbeitsteilung haben auch die Weltwirtschaftsordnung der Nachkriegszeit bestimmt, die eine weltweite Wirtschaftsentfaltung wie in keiner vorangegangenen Epoche ermöglichte. Wie weit lassen sich die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft auch auf die internationale Wirtschaftsordnung anwenden?

MÜLLER-ARMACK: Die Idee, die produktiven Kräfte und damit die

Die Entsprechung zur zweiten Einkommensverteilung im innerstaatlichen Bereich ist weltweit der Strom der Entwicklungsgelder über die Weltbank und deren Tochterorganisationen (IFC und IDA) sowie über die diversen Kreditfazilitäten des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Gemeinschaft und zahlreicher N otenbank-Rettungsaktionen.

FURCHE: Was wird yiit dem Ruf nach einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung” angestrebt?

MULLER-ARMACK: Heute ist „Sozialismus” modern. Viele Entwicklungsländer stehen dem Weltmarkt mit Mißtrauen gegenüber, dessen Preisbildung sogar den kommunistischen Ostblockländem - mangels eines eigenen internationalen Preissystems! - als Grundlage ihrer Außenhandelspreise dient, ßohstoffabkom- men funktionieren auf Grund aller Erfahrungen nicht und würden nicht die armen, sondern die reichen Rohstoffproduzenten (USA, UdSSR u. a.) begünstigen. Ein möglichst freizügiger Welthandel mit einem möglichst freien Fluß von Investitionskapital, mit dem in der Regel das erforderliche Know- how verbunden ist, ist auch für Entwicklungsländer die beste Entwicklungshilfe. Ihr Vorteil ist u. a. ein relativ niederes Lohnniveau, die Industrieländer sollten als einen Teil ihres Beitrages zur Weltwirtschaftsordnung diesen Importen möglichst freien Zugang gewähren.

FURCHE: Wo liegt die Achillesferse der heutigen Weltwirtschaftsordnung?

MULLER-ARMACK: Die schwerwiegendste Behinderung in der Hebung des allgemeinen Wohlstandes und des Kampfes gegen den Hunger ist die Wirtschaftsordnung ln den verschiedenen Entwicklungsländern. Die meisten von ihnen, seien sie nun mehr oder minder demokratisch organisiert oder von Militärregierungen beherrscht, sehen in einer sozialistischen Ordnung ihr Heil. Eine der Folgen davon ist der sich scheinbar hoffnungslos auftürmende Berg von Staatsschulden. Was diesen Ländern fehlt ist die Entwicklung eines effizienten Wirtschaftssystems, das einen mög-

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