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Tauscht Luft gegen Löhne

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Dank der Marktwirtschaft ist unsere Gesellschaft reich geworden. Sie könnte auch Ökologie und Ökonomie vereinen. Zum Nulltarif geht es aber nicht, das muß uns klar sein.

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Dank der Marktwirtschaft ist unsere Gesellschaft reich geworden. Sie könnte auch Ökologie und Ökonomie vereinen. Zum Nulltarif geht es aber nicht, das muß uns klar sein.

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„Was nützt aller materieller Wohlstand, wenn wir die Welt gleichzeitig immer häßlicher, lärmender, gemeiner und langweiliger machen und die Menschen den moralisch-geistigen Grund ihrer Existenz verlieren? Der Mensch lebt eben nicht von Radios, Autos und Kühlschränken, sondern von der gesamten unverkäuflichen Welt jenseits des Marktes und der Umsatzziffern, von Würde, Schönheit, Poesie, Anmut, Ritterlichkeit, Liebe und Freundschaft, von Unberechnendem, über den Tag und seine Zwecke Hinaus-weisendem, von Gemeinschaft, Lebensbuntheit, Freiheit und Selbstentfaltung.”

Dieses Zitat stammt nicht von einem „Grünen”. Es wurde auch nicht aus einem aktuellen Anlaß geschrieben, sondern bereits 1955.

Der Autor ist Wilhelm Röpke, einer der geistigen Väter der Sozialen Marktwirtschaft. Er ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, daß man konsequent Marktwirtschaft vertreten und sich trotzdem auf Basis einer von humanistischen Werten getragenen Ein-stelllung für die Natur einsetzen kann. Denn, um Röpke weiter zu zitieren: „Die Marktwirtschaft ist nicht alles. Sie muß in eine höhere Gesamtordnung eingebettet werden, die nicht auf Angebot und Nachfrage beruhen kann. Der Physik der Wirtschaft ist ihre Psychologie, ihre Moral, ihr Geist, kurzum ihre Menschlichkeit entgegenzusetzen. Das Schicksal der Marktwirtschaft mit ihrem bewunderungswürdigen Mechanismus von Angebot und Nachfrage entscheidet sich — jenseits von Angebot und Nachfrage.”

Die Gegner der Marktwirtschaft haben in einem natürlich recht: Marktwirtschaft an und für sich ist weder sozial noch unsozial, noch ist sie aus sich heraus in der Lage, ökologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Soziales und ökologisches Bewußtsein können nur Menschen haben, die auf dem Markt agieren. Soziale und ökologische Verpflichtung muß außerhalb des Marktes entstehen.

Die Bedeutung ökologischer Zusammenhänge und Notwendigkeiten ist der Marktwirtschaft genausowenig inhärent wie ein soziales Bewußtsein; beide sind metaökonomische Zielsetzungen, die nur über die Rahmenbedingungen, d. h. letztlich nur in der politischen Willensbildung, zustande kommen. Das setzt aber voraus, daß zuerst ein ökologisches Bewußtsein auf breitester Basis entsteht, genauso wie soziales Bewußtsein entstehen mußte.

Doch geben wir uns keiner Illusion hin. Es hat Jahrzehnte gedauert, Jahrzehnte leid voller Erfahrung, bis aus der klassischen liberalen Marktwirtschaft als Weiterentwicklung die Soziale Marktwirtschaft entstand. Auch das ökologische Bewußtsein wird daher noch viele Irrwege und Rückschläge in Kauf nehmen müssen.

Einer dieser Irrwege der Grünbewegung ist sicherlich die Technikfeindlichkeit. Technik an und für sich ist weder an der Luftverunreinigung noch an der Wasserverschmutzung oder an sonstigen Entwicklungen „schuld”. Dieselbe Technik, die die Luft und das Wasser verschmutzt, bietet sowohl vorbeugend als auch als Reparatur alle Möglichkeiten an, diese Zerstörung entweder rückgängig zu machen oder überhaupt zu verhindern. Die Grenzen, innerhalb derer eine bestimmte Technik wirksam werden kann, sind politisch bestimmt. Sie können über Rahmenbedingungen (Bauordnung, Auflagen, Rechtsordnung im allgemeinen) beeinflußt und gestaltet werden. Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie ist daher eine rein politische Frage, die im Rahmen von Prioritäten zu lösen ist.

Schuldlose Technik

In einer Marktwirtschaft müssen gewünschte Ziele über Daten vorgegeben und nicht direkte Eingriffe erzwungen werden. Veränderung der Daten ist marktkonform. In der konkreten Situation ist daher die Belastung durch Schadstoffe durch Verordnung zu begrenzen und es ist der Marktwirtschaft zu überlassen, entweder mit Hilfe einer bestehenden Technologie oder vor allem durch die innovative Entwicklung neuer Technologien diesen Anforderungen zu entsprechen.

Besser als Verbote wirkt eine Art Emissionssteuer, die Emissionen über einen Grenzwert hinaus — und zwar eine bestimmte Summe pro Promille, die diesen Grenzwert überschreitet — kostenmäßig belastet So überläßt man es dem Markt, neue Technologien zu entwickeln, um dieser Emissionssteuer zu entgehen.

Diese Regelung über den Markt, d. h. durch die Preise, beweist immer wieder ihre Überlegenheit. Wurden nicht der erste und zweite ölpreisschock durch einen starken Anstieg des Preises für die Energie überwunden? Durch den Zusammenbruch der Illusion von der billigen Energie wurden jene Veränderungen ausgelöst, die zu bereits feststellbaren Bewußtseinsänderungen geführt haben. Es war daher auch vollkommen richtig, weil „marktgerecht”, durch Verteuerung der Energie jene Energiesparwelle noch zu fördern. Hier muß auch deutlich ausgesprochen werden: Soziale Erwägungen sollen dabei nur durch Sozialtransfers ausgeglichen werden, und nicht durch Anpassung der Preise an soziale Gegebenheiten.

Die Einbindung ökologischer Ziele in die Ökonomie bedeutet eine Belastung der Volkswirtschaft, und zwar in der Größenordnung von Billionen Schilling. Das soll nicht heißen, daß diese gewaltige Belastung einen Umweltschutz unmöglich machen würde. Wenn ein Basiskonsens hergestellt werden kann, daß die Verhinderung des Waldsterbens, reine Luft, reines Wasser und die damit verbundene Erhöhung der Lebensqualität diesen Preis wert ist, so wird und muß man diesen Wert zahlen. Um es aber ganz deutlich auszudrücken: Basiskonsens heißt, daß auch die Mehrzahl der Arbeiter davon überzeugt ist, daß der Umweltschutz auch ihren Lebensstandard schmälert. Es muß sichergestellt werden, daß durch ökologische Auflagen hervorgerufene Preissteigerungen nicht durch erhöhte Löhne wieder abgegolten werden. Um es noch überspitzter zu formulieren: Der Basiskonsens ist dann erreicht, wenn bei harten Lohnverhandlungen, bei denen es um Streik oder NichtStreik geht, es gelingt, „reinere Luft” gegen Prozente Lohnerhöhung einzutauschen. Es muß unter allen Umständen die Illusion verhindert werden, daß ökologisch motivierte, politische Willensakte keine ökonomischen Konsequenzen haben. Sonst ist der ökologischen Demagogie Tür und Tor geöffnet, und eine nationalökonomisch dilettantische Ökologie kann ebenso gefährlich sein wie eine für ökologische Notwendigkeiten abgestumpfte Ökonomie.

Der Autor ist seit 1982 freier Journalist. Der Beitrag ist ein Auszug eines Artikels, der in der nächsten Nummer der Vierteljahresschrift „CONTUREN” erscheinen wird.

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