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Heiße Eisen fest angefaßt

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In seinem letzten Buch „Politik und Publizität" (Seewald Verlag, 1983) erklärt Helmut Schelsky: „Wer als politischer Denker .realistisch' das Wesen der Politik beurteilt und dabei doch noch ein .ideales' Ziel sozusagen im Hinterkopf verfolgt, muß in seiner Zeit scheitern. Er gerät unter den Schatten des .Leviathan', weil er sich anmaßt, denkerisch selber souverän zu sein."

Als Beispiele realistisch denkender Idealisten nennt Schelsky neben Machiavelli und Thomas Hobbes auch den moralisch eher fragwürdigen Carl Schmitt. Schelsky schließt den Absatz:

„Nur zögernd und furchtsam nähere ich mich dieser Zone."

Damit wird Schelsky seiner selbst nicht gerecht, denn er hat sehr wohl in dieser brisanten Zone gewirkt und versucht, als Realistfür ideale Ziele einzutreten. Er hat als Soziologe brisante politische Fragen von unterschiedlichen Standpunkten behandelt und sich dabei auch mit andersdenkenden Soziologen in recht bissige Kontroversen verstrickt.

Diese bieten anregende Lektüre, bei der allerdings Schelskys Gedanken von seinem polemischen Ton bisweilen eher überschattet als profiliert werden. Dennoch trägt die Lektüre von seinen Schriften oft wesentlich zum Verständnis einer weit gefächerten Problematik bei — bisweilen in Zustimmung, bisweilen in Ablehnung von Schelskys Standpunkt.

Von bleibendem Interesse bleibt Schelskys „Die skeptische Generation" (1957), als gelungener Versuch redlicher Diagnostik eines überaus wandelbaren Phänomens, nämlich der Jugend dieser Zeit.

Besondere Aufmerksamkeit verdient Schelskys klassisches Werk „Einsamkeit und Freiheit — Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen", eine soziologische Analyse des deutschen Hochschulwesens in historischer Perspektive, die bis auf weiteres allen als Orientierungswerk dienen wird, die sich mit Hochschulfragen befassen.

Beispielhaft ist dabei die Trennung eigener kontroversieller Stellungnahmen von der wertfreien diagnostischen Behandlung dieser Thematik. Hier liefert Schelsky einen wertvollen Ausgangspunkt für die natürlich überaus brisante Polemik bezüglich hochschulpolitischer Maßnahmen.

Einen besonders wertvollen Beitrag zum politischen Verständnis liefert Schelsky in seiner militanten Befürwortung der Gewaltenteilung im Gegensatz zu den Thesen „direkter Demokratie" oder „Basisdemokratie", welche im Schatten von Maos Kulturrevolution an den deutschen Hochschulen in den sechziger Jahren ein destruktives „antiautoritäres" Chaotentum motiviert hatten.

Die Liquidierung der Viererbande in Shanghai hat zwar diesem Unfug ein vorläufiges Ende gesetzt, aber mit dessen Wiederbelebung ist zu rechnen.

Damit bleiben Schelskys Worte aktuell im Interesse der Bewahrung der Freiheitsrechte der bürgerlichen Demokratie, das heißt der Demokratie arbeitender Bürger, die von subventionierten jungen Wohlstandsrevoluzzern oft nicht gewürdigt werden.

Der Autor iit emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Wien.

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