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Lincoln, die schöpferische Kraft der Demokratie

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Dem Knaben, der in einer kleinen Hütte in Kentucky seine Gedanken mit Kohle auf Holzschindeln „niederschrieb“, weil Papier für seine kindlichen Notizen zu kostbar war, ist es nicht an der Wiege gesungen worden, daß er einmal einer der größten Präsidenten der USA werden würde. Vielleicht hat übrigens dieser Zwang zur Konzentration der Gedankenführung die Prägnanz der Sprache mit herbeigeführt, für die Lincolns Reden später berühmt geworden sind. Der riesenhafte junge Mann, der selbst die Balken für das Blockhaus seiner Familie gezimmert hat, war der Typus des „armen Weißen“: Angehöriger der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das zahlenmäßige Ubergewicht erlangenden und um die Entscheidung der politischen Willensbildung der USA ringenden Bevölkerungsschichte.. Mit den Augen des Europäers der Maria-Theresianischen Epoche gesehen, waren die rebellierenden dreizehn Staaten von Neu-England freilich ein Vulkan von Demokratie. Soziologisch betrachtet waren sie Farmerländer, politisch geführt von“ einer Oberschichte von Landedelleuten, oft den jüngeren Söhnen großer britischer Familien, die Plantagenwirtschaft betrieben. George Washington selbst (man vergleiche etwa seine- Biographie von Michael de la Bedyore) ist hiefür ein Beispiel. Erst die starke Einwanderung der folgenden Jahrzehnte verschob das Schwergewicht der Bevölkerung nach dem Norden und brachte

Passau gegen Potsdam. Eine Mahnung an das Weltgewissen. Von Fritz Albrecht, österr. Landesverlag, Linz. 44 Seiten.

Ein knapper, von eindrucksvollen Photos unterstützter Bericht über die elf im Jahre 1949 veranstalteten Donaufahrten Volksdeutscher Staatenloser nach Passau zu einem Wiedersehen mit ihren Angehörigen jenseits der Grenze. Diese Fahrten waren ein dramatisches Ereignis in der „Geschichte der Sprecherlaubnis“. Sie ermöglichten es Tausenden von Vertriebenen, endlich nach Jahren ihre Angehörigen wenigstens für einige Stunden unter freiem Himmel zu begrüßen. Man erfährt aus dem Büchlein, daß selbst kleinen Kindern keine andere Möglichkeit geboten ist, zu ihrer Mutter zu gelangen, daß manchen Frauen nur die Donaufahrt die Möglichkeit gibt, ihre Männer wiederzusehen, weil Berge von bürokratischen Hindernissen und politischen Sperren die Grenzen unübersteiglich machen und die Barrieren mitten durch die Herzen ziehen.

Ruppert v. Schumacher

Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspolitik. Von Wilhelm Weber. Springer-Verlag, Wien. 84 Seiten.

Die kleine Arbeit, welche den Assistenten von Prof. Hans Mayer zum Verfasser hat, stellt einen erweiterten Abdruck einer bereits im Sammelwerk „Hundert Jahre österreichische Wirtschaftsentwicklung 1848 bis 1948“ erschienenen Publikation dar. Sich stets zu den Lehren der Grenznutzenschule bekennend, gibt der Autor eine eingehende Darstellung der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung in Österreich, beginnend mit den Frühkarnerari-sten. Kein bedeutender Autor bleibt unerwähnt, das gebotene Material kann als lückendie Entfaltung der Industrie. Die politische Waagschale senkte sich zugunsten des „armen weißen Mannes“. Die politische Spannung zwischen dem halbfeudalen Süden und dem, modern gesprochen, demokratischen Norden, ihre Entwicklung und ihre tragische Entladung ist in der Geschichte aufs engste mit dem Namen Abraham Lincoln verknüpft. Als seine größte staatsmännische Leistung gilt mit Recht die erfolgreiche Beendigung des Sezessionskrieges und damit die Bewahrung der Einheit der USA. Die Vollendung des Werkes durch eine maßvolle Pazifizierung wurde durch Lincolns Ermordung verhindert. Hoffnungsvolle Ansätze, von ihm in der Stunde des Sieges vorgezeichnet (wie ja Lincoln nie Stimmungen des Augenblicks nachlebte), verfielen zugunsten eines den Süden schwer drückenden Ausnahmeregimes. Das Objekt, um das der Streit gegangen war, die Negersklaven, wurden befreit, ohne doch einen angemessenen neuen Rechtsstand zu erlangen. Lincolns Erbe harrt da noch immer der Vollendung. Sehr einprägsam tritt außer der lebenswahren biographischen Zeichnung aus dem gut geschriebenen und erkenntnisreichen Buch die Eigenart des politischen Lebens Amerikas und die Form hervor, in der dieses die Demokratie realisiert sehen will. Lincoln: die Verkörperung des amerikanischen Demos. Carl von Peez los bezeichnet werden. Der Anmferkungsteil stellt eine ausgezeichnete Ergänzung dar und gibt dem Verfasser die Möglichkeit, den ausgewiesenen Lehrmeinungen eine eigene Auffassung hinzuzufügen. Die Einteilungsgründe im dogmengeschichtlichen Teil müssen oft als willkürlich bezeichnet werden. Neben den „verwandten Disziplinen“ (Finanzwissensdiaft usw.) gibt Weber abschließend einen Uberblick über die Beziehungen von Wirtschaftspraxis und Wirtschaftstheorie im österreichischen Raum. Die Arbeit muß jedem, der einen Uberblick über die österreichische nationalökonomische Forschung gewinnen will, sehr empfohlen werden.

Dr. Walter Linsbauer

Elternfehler — Ktnderschicksal (Formen der Fehlerziehung). Von Herbert Schiff. Wilhelm Braumüller Univ.-Verlag, Wien.

Ein Mahnruf an das elterliche Gewissen, den Verantwortungsauftrag gegenüber dem Kinderschicksal niemals zu leicht zu nehmen, das ist Schiffs sprachlich und gehaltlich differenzierte Studie „Elternfehler — Kinderschicksal“. Auch hier spricht ein Mann der Praxis, ein versierter Berufsberater, der aber zugleich mehr ist als das: ein scharfer Analytiker und unbestechlicher Kritiker, welcher sich nicht mit der Aufweisung der Phänomene begnügt, sondern ihren Ursachen zielsicher zu Leibe rückt. Erziehung ist für Schiff Bewältigung einer Lebenssituation, wie sie in ihrer Besonderheit keine Parallele hat: zugleich Wagnis des Geistes und Echtheitsprobe auf die eigene Lebensführung. Aber Einsatzbereitschaft und guter Wille sind nicht alles — und hier setzt der Entlarvungsauftrag dieser Arbeit ein: in einer (durch Belehrung und

Selbstprüfung zu korrigierenden) verfehlten pädagogischen Haltung schaffen sich die Eltern nicht selten ihre Erziehungsschwierigkeiten selber, deren Ursachen sie dann beim Kinde zu suchen geneigt sind. Man kann diese Ausführungen nicht ohne ein schmerzliches „Pater, peccavi“ lesen. Manche werden Anregung zur Selbstkritik mit in ihr eigenes Leben nehmen können. Dr. J. Derbolav

Planetare Wetterbeeinflussung nach Apex-stellung und Konstellation. Von Franz J. A. G ö s c h 1. Programm 1949 des Gymnasiums Borromäum, Salzburg-Parsch. 16 Seiten, 1 Tabelle.

Angesichts der Tatsache, daß selbst die Zusammenhänge zwischen Sonnenaktivität und Großwettergestaltung noch weitgehend ungeklärt sind, erscheinen Versuche über planetare Wetterbeeinflussung mindestens als übereilt Mit diesem Vorbehalt kann die ruhige Sachlichkeit der vorliegenden Schrift anerkannt werden, die durchaus den stark hypothetischen Charakter der nebst einigen Beispielen vorgetragenen Regeln hervortreten läßt. Auch wenn sich diese bestätigen sollten, wären sie nur eine Ergänzung, jedoch keineswegs ein Ersatz für die seit Jahrzehnten allgemein anerkannte 6ynoptische Meteorologie. Univ.-Doz. Dr. K. Ferrari- d'Occhieppo

Einführung in die Phonetik und Phonologie.

Von Wilhelm Brandenstein. Verlag Gerold & Co., Wien.

Das auf umfänglicher Sprachenkenntnis beruhende Büchlein des Grazer Linguisten umfaßt eine hauptsächlich die Artikulationsvorgänge beschreibende Phonetik und eine dankenswert klare Einführung in die Phonologie, das heißt die Lehre von den Leistungen der Laute im Sprachzusammenhang. Methodisch besteht zwischen den beiden Teilen freilich keine restlose Ubereinstimmung: während der erste die Vokale (nach G. Forchhammer) kubisch anordnet, kehrt der zweite doch Wieder (nach Turbetzkoy) zu Vokaldrelecken zurück. Im einzelnen wird dem Akustiker der Vergleich der Stimmlippen mit erklingenden Saiten, dem Logopäden die Deutung des Stotterns als Zwerchfellkrampf auffallen. Davon abgesehen kann das anregende und flüssig geschriebene Büchlein allen Interessenten zur Lektüre empfohlen werden.

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