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Konsolidierung oder Pyrrhussieg?

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Als im Jahre 1990 die tschechoslowakische Volkspartei gemeinsam mit einigen kleineren politischen Parteien - darunter auch die Christlichdemokratische Partei des Vaclav Benda - mit dem Namen Christliche und Demokratische Union in die ersten Parlamentswahlen nach dem November 1989 ging, schien es, als ob eine der entscheidenden politischen Kräfte in der sich neu formierenden Gesellschaft entstehen würde. Statt sozialistischen wurden den Wählern christliche Werte angeboten; man versprach die Unterstützung privaten Unternehmertums und der Marktwirtschaft, vergaß dabei Sozialaspekte, minderbemittelte junge Familien und auch die Rentner nicht.

Die Vergangenheit der Partei in der Zeit des kommunistischen Regimes wirkte sich jedoch negativ aus. Die Volkspartei hatte den Kommunismus mit einer geringen Mitgliederanzahl und einer Parteiführung, die kollaborierte, überlebt. Positiv ist ihre relativ lange demokratische Tätigkeit zwischen den Kriegen, ihre antikommunistische Orientierung zwischen 1945 und 1948 und vor allem ihre von vielen Initiativen geprägte Gegenwart. Sympathie gewannen vor allem der Vorsitzende der Partei, Josef Barton-Cik, ehemaliger Sekretär in Südmähren während der KP-Ära, und Richard Sacher, damals Föderalinnenminister.

Die Affäre um die Anschuldigungen gegenüber Barton&k, selber mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet zu haben, verfehlte knapp vor den 90er Wahlen nicht ihre Wirkung: die Volkspartei gewann nur wenige Sitze im Föderal- und im Republiksparlament. Die Partei teilte sich in zwei Flügel, einer unterstützte weiterhin B artoncik, der andere setzte auf Veränderungen und wies auf die Diskreditierung des Vorsitzenden hin.

Auf dem Parteitag in Zdär nad Sä-vazou im Herbst 1990 wurde der jetzt 37jährige Ingenieur für Landwirtschaft aus Ostböhmen, Josef Lux, als Vorsitzender gewählt, der zwar für jugendlichen Optimismus steht, vor und während der 1989er Revolution aber weder mit eigenen Ideen noch mit Konzepten hervorgetreten ist. Lux baute seine Position vor allem in Mähren aus. Unter seiner Führung kam es auch zur endgültigen Auseinandersetzung mit den Christlichen Demokraten (CD) des Vaclav Benda. Die Volkspartei entsprach zwar Ben-das Forderung nach Ausgleichszahlungen für den seiner Meinung nach für die CD ungünstigen Koalitionsvertrag in Millionen Kronen-Höhe, Benda verband sich aber mit der Bürgerlich-Demokratischen Partei von Finanzminister Vaclav Klaus.

Mit großem Mißfallen mußte Benda die'Registrierung der Volkspartei als Christliche und Demokratische Union zur Kenntnis nehmen; damit durfte dieser Namen weder von Benda noch von Klaus verwendet werden. Im Parteienspektrum steht Klaus Bürgerlich-demokratische Partei rechts, sie entstand ja aus dem rechtsorientierten Teil des ehemaligen „Bürgerforums"; der größte Teil der Volkspartei-Mitglieder identifizierte sich mit christlich-sozialen Ideen, ist also in der rechten Mitte des politischen Spektrums angesiedelt.

Beim Vorparteitag in Jihlava (Iglau) Ende März und auf dem Parteitag in Prostejov am 4. und 5. April setzte sich der zentralistische Kurs Josef Lux durch. Stein des Anstoßes war die Vereinigung der Partei mit der Bewegung Christliche und Demokratische Union: 229 Delegierte stimmten dafür und auf die Abänderung des Namens auf „Christlicheund Demokratische Union - Tschechoslowakische Volkspartei" Die Opponenten - 70 Delegierte, unter ihnen auch Bartonöik sowie der bekannte Schachweltmeister Ludek Pachman - bestanden auf dem ursprünglichen Namen der Partei. Lux gelang es jedoch, diese Gruppe zu paralysieren. Der Parteitag in Prostejov billigte auch neue Statuten, die sich neben der unkritischen Übernahme einiger Elemente aus den ÖVP-Statuten durch einen festen Zentralismus und durch eine Einschränkung der Rechte beider Landesorganisationen auszeichnen.

Ob die Politik der harten Hand Lux gegen die innerparteiliche Opposition richtig war, wird sich erst bei den Wahlen zeigen. Gegenwärtig zeigen Meinungsumfragen in Mähren, daß die Volkspartei ungefähr sechs Prozent der Stimmen gewinnen könnte, in Böhmen jedoch nicht einmal soviel; damit könnte die Volkspartei nicht ins Parlament gelangen. Die Verteidiger der christlich-sozialen Orientierung betonen jedoch die Mittelstellung der Partei und verlassen sich darauf, in der politischen Mitte Wähler aus mittellosen Schichten gewinnen zu können. Auf der anderen Seite gewinnen die Sozialdemokraten, die Kommunisten oder die Sozialliberalen und eine andere mährisch orientierte Partei Wählersympathien. Sollte die Volkspartei bei den Wahlen bestehen, wird die Position Josef Lux gesichert sein, ander-falls wird sein Sieg von Jihlava und Prostejov zum Pyrrhussieg.

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