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Kunstpolitik als Eiertanz

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Wenn's um die Kunst geht, entwickeln die Programme der österreichischen Parteien einen geradezu missionarischen Eifer. Das .auf philosophierende Begründungen bedachte SPÖ-Programm will durch Kulturpolitik „die Entfremdung des Menschen in allen Lebensbereichen überwinden“, wobei die Tatsache der „Entfremdung“ nicht näher erklärt, sondern als Axiom und Buhmann Verwendung findet.

Lehrreich ist auch die Feststellung, daß die „kapitalistische Ordnung“ zwei einander widersprechende moderne arbeitsteilige Gesellschaft ist durch eine erhöhte Differenzierung und eine Vielfalt der Auffassungen, der Interessen und der Gruppen gekennzeichnet. Wir bejahen diese Vielfalt.“

Im FPÖ-Programm findet sich kürzer und nur andeutungsweise etwas Ähnliches: „Wir treten für Toleranz gegenüber jeder Weltanschauung ein.“ Die Freiheitlichen wollen allerdings innerhalb dieser Toleranz ganz bestimmte Werte besonders gefördert wissen. Sie meinen, „eine besondere Aufgabe der Kulturpolitik ist die Erhaltung und Weiterentwick-

Tendenzen gleichzeitig fördern konnte; sie hat nämlich „zu einer starken Differenzierung der Gesellschaft nach Konsumpotential und Bildung, aber gleichzeitig auch zu einer Nivellierung und Verarmung der kulturellen Bedürfnisse“ und auch zu einer „Uniformität“ geführt.

Das ö VP-Programm gibt nicht vor, wissenschaftlich fundiert zu sein, wendet sich aber unter dem Titel „Partnerschaft“ ebenfalls gegen Ni-vellierung und Uniformität: „Die lung der deutschen und aller abendländischen Kulturwerte.“

Die anderen beiden Parteien finden es nicht für notwendig, sich zum Deutschtum und Zum Abendland eigens zu bekennen. Sie befassen sich mit der Kunst an sich, ohne diese nach nationalistischen Gesichtspunkten werten zu wollen.

Interessant, daß das pragmatische ÖVP-Programm den Versuch unternimmt, Kunst zu definieren („als schöpferische Interpretation und Gestaltung der Welt und des Welterlebens“), wogegen die Sozialisten die Kunst nur in ihrer Funktion betrachten (sie „leistet einen Beitrag“, sie „bewirkt“). Während sich die Volkspartei mehr der Person des Künstlers zuwendet und für diesen „geistige Freiheit und materielle Sicherheit“ fordert, verpflichtet sich die SPÖ, „keine bestimmten Kunstrichtungen und Kunstformen zu privilegieren“.

Allerdings gelingt es den Sozialisten nicht, offenkundige Widersprüchlichkeiten zu vermeiden. Sie „fordern“ einerseits „die Sicherung der Freiheit der Kunst und der Vielfalt künstlerischer Betätigung“, wollen aber diese Freiheit anderseits beschränken, denn sie wünschen den „Abbau“ des von ihnen festgestellten „Ubergewichtes“ der „konservie-rend-reproduzierenden und musealen Kunst.“

Und obwohl sie keine bestimmten Kunstrichtungen privilegieren wollen, fordern sie doch eine besondere Unterstützung für eine „in den Alltag und in alle Bevölkerungsgruppen wirkende Kunst“. Hier taucht auch das Wort „Toleranz“ auf, allerdings ebenfalls nicht für die „Vielfalt künstlerischer Betätigung“, sondern nur in einer einzigen Richtung: man möge gegenüber „radikalen Inhalten und neuen Formen“ tolerant sein.

Die Freiheitlichen scheinen dieser Forderung zu widersprechen mit dem Satz: „Die Kunstförderung hat der Entwicklung aller schöpferischen Talente zu dienen und muß von zeitabhängigen einseitigen Wertungen frei bleiben.“

Sehr allgemein formuliert das Programm der Volkspartei: „Kunstpolitik hat Altes, das als wertvoll anerkannt wird, zu bewahren und für Neues offen zu sein.“ Die ÖVP-For-derungen sind im weiteren recht konkret: Präsentation österreichischer Kunst in In- und Ausland, Erleichterungen für private Kunstförderung, besondere Beschäftigung mit Architektur „als politische Äußerung“.

Die Notwendigkeit, für möglichst viele Gruppen wählbar zu bleiben, hindert die Parteien daran, ihre Programme immer und überall mit dem gleichen Eifer zu verfolgen. Dieselben Gruppen innerhalb der SPÖ zum Beispiel, die Toleranz nur gegenüber „radikalen Inhalten“ fordern, können eine Unterstützung der mit dem Ausdruck „konservierend-reprodu-zierend“ und „museal“ versehenen Kunst etwa der Bundestheater nicht verhindern.

Anderseits hat das ausgewogene ÖVP-Programm manche steirische Politiker der Volkspartei nicht daran gehindert, mit dem „Steirischen Herbst“ eine bewußt einseitig angelegte Veranstaltung ins Leben zu rufen. Auch das Bekenntnis zu einer Architektur als „politische Äußerung“ hat keine der von der ÖVP gestellten Landesregierungen dazu bewegen können, auf dem Gebiet der Ortsbildgestaltung die notwendigen, manchmal auch unpopulären Maßnahmen zu ergreifen.

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