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Liebhaber als Zofe

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In Italien gibt es derzeit 120 bis 130 Wandertruppen, aber nur acht Theater mit festem Sitz. Dazu gehört das Teatro Stabile di Bolzano, das dieser Tage mit derRenaissancekomödie„La Fantesca” im Wiener Italienischen Kulturinstitut gastierte.

Bozen ist eine Stadt mit 120.000 Einwohnern, das Teatro Stabile hat 400 Sitzplätze. Es besteht seit 15 Jahren, wobei jährlich zwei neue Stücke produziert werden, dazu kommt eine Wiederaufnahme, gespielt wird auch außerhalb Bozens. Derzeit befindet sich dieses Ensemble auf der ersten Auslandstoumee, für die bewußt weder ein Stück von Goldoni, noch von Pirandello gewählt wurde, da diese Bühnenwerke außerhalb Italiens viel aufgeführt werden. ,r- Die Komödie „La Fantesca”, „Die Zofe”, von Giovambattista Deila Porta gehört zur „Commedia eruditą”, auch „dotta” genannt, das sind „gelehrte” Komödien, die im Gegensatz zur Commedia dell’ arte festen Text hatten, von Literaten, von Intellektuellen geschrieben wurden und vornehmlich an den Höfen zur Aufführung gelangten. Deila Porta war Wissenschaftler, geriet mit Galilei in Streit über die Priorität bei der Erfindung des Fernrohrs und wurde wegen „Zauberei” von der Inquisition angeklagt, aber freigesprochen. „La Fantesca” erweist allerdings auch Einflüsse der Commedia dell’ arte. Der künstlerische Leiter der Truppe, Regisseur Alessandro Fersen, der das Stück von einer Spieldauer von vier Stunden auf eineinhalb verkürzte, hat diese Züge noch verstärkt.

Was sich begibt, läßt an Renaissancenovellen denken. Ein Jüngling tritt als Zofe auf, um der von ihm Geliebten nahe zu kommen, die von ihren Eltern einem andern versprochen ist. Komische Wirkungen ergeben sich durch die vorgetäuschten koketten weiblichen Bewegungen, die vorgetäuschte Weiberstimme, die doch nicht durchgehalten wird. Verwirrungen über Verwirrungen, so etwa stellt der Vater des Mädchens der vermeintlichen Zofe nach, er wird von seiner eifersüchtigen Frau geprügelt. Diese vielerlei turbulenten Szenen werden auf erhöhten, durch Stufen und Schrägen zu erreichenden Spielflächen dargeboten, auf denen sich raumabgren- zende Vorhänge befinden. Entwurf: Emanuele Luzzoti. Lebhafte Gestik, die melodiöse Sprache wird zu verbalem Mimus und all das wirkt natürlich, als gäbe es gar keine andere Ausdrucksform, hat Charme. Mitunter entstehen reizvolle Gruppenwirkungen, so von fünf Verlumpten, die lange völlig regungslos hier und dort kauern, bis sie in Aktion treten. Giancarlo Zanetti ist ein überaus wendiger Zo- fen-Jüngling. Geschlossener Gesamteindruck durch das Spiel aller Mitwirkenden. Die Kostüme von Santuzza Cali sind, von einigen Ausnahmen abgesehen, geschmackvoll verhalten auf den Gegensatz von Schwarz und Weiß bis Erdfarben abgestimmt.

Kriminalstücke bietet das Fernsehen in reicher Zahl. Sie sind daher im Theater selten. Dennoch sieht man derzeit in der Kleinen Komödie ein Stück von Agatha Christie „Ein Fremder klopft an”, von Frank Vosper dramatisiert. Dieser Fremde macht sich zunächst gar nicht verdächtig, er heiratet, es gibt junges Eheglück. Man wartet auf einen Mord, auf einen Toten, vergeblich, nichts davon. Es knistert nur manchmal, keinen Deut mehr. Und dann ein Knalleffekt ganz am Schluß. Das ist die besondere Dramaturgie dieses Krimis. Vorgeführt wird das unter der Regie von Helmut Siderits vorwiegend lustspielhaft, damit es dann besser knallt. Treffliches Spiel der sehr begabten Lydia Weiss in der weiblichen Hauptrolle und von Walter Geliert als der Fremde. Gutes Spiel der weiteren Mitwirkenden, eine Ausnahme.

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