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Bürger und „Helden“

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Vor dreizehn Jahren führte ein Gastspiel des Mailänder Piccolo Teatro im Burgtheater die „Trilogia della Villeggiatura“, die Strehlersche Kurzfassung dreier Stücke von Goldoni,vor. Sie wird nun, noch weiter geküjTzt,. unter, dem, Titel „DieSom- merfrische" im Theater in der Josef- Stadt wiedergegeben.

Wer das Stück seinerzeit nicht sah, lernt einen vordem unbekannten Goldoni kennen, den man in dieser Schaffensphase als einen Tschechow des achtzehnten Jahrhunderts bezeichnen kann. Er erweist sich da als ein Sittenschilderer jener Gesellschaft, die den Sommer auf dem Land verbrachte, er stellt die Verschwendungssucht derer dar, die es dem Adel nachtun wollten, aber hie- für nicht die Geldmittel besaßen. Konventionen würgen die Liebe ab, Käuflichkeit, Egoismus, Oberflächlichkeit beherrschen diese Menschen. Doch seitzt Goldoni hiebei keineswegs die scharfen Farben des Satirikers ein, es gelingt ihm das Erstaunliche, Soziialkritik mit Charme zu verbinden.

Die Inszenierung von Peter Beauvais kommt den subtilen Reizen der einstigen Wiedergabe durch Strehler nahe. Anderes zu erstreben wäre kaum angängig. Jan Schlubach vermittelt als Bühnenbildner vor allem in den Innenräumen den Eindruck „italienisches achtzehntes Jahrhundert“, die sehr hübschen Kostüme von Hill Reihs- Gromes ergänzen diese Wirkung. Die Ausgewogenheit der Aufführung ist vor allem durch die trefflich profilierten schauspielerischen Leistungen von Karl Fochler, Elfriede Irrall, Dietmar Schönherr, Sabine Sinjen und Volker Brandt bedingt.

Das Bukarester Komödien-Theater brachte als Gastspiel im Theater an der Wien eine bereits vor drei Jahren in Paris preisgekrönte Aufführung von Shakespeares „Trolius und Cressida“. Von diesem Stück um den Trojanischen Krieg, das Tragisches mit Komödienhaftem und mit der Parodierung der homerischen Welt vereint, hatte Heine einst erklärt, es bedürfe zum Verständnis einer eigenen Ästhetik, die noch nicht geschrieben sei. Nun, zwei Weltkriege und ihre Greuel haben die Sicht auf dieses „Trauerspiel“, das vordem als unspielbar galt, freigelegt.

Läppisches Gehaben angeblicher Helden, verratene tiefe Liebe, Verbrechen an einem Wehrlosen, weltweite Verderbtheit, das ist das Bild, das sich aus diesen Szenen ergibt. Die Intellektualisierung der Gefühle, gerade auch in den Liebesgesprächen, die Psychologisierung, wie bei den Rednern der Antike, die Akrobatik der Gedanken, die Turnkunststücke der Metaphorik, die gewollten Banalitäten wie bei Ionesco, die Sturzbäche an Schimpfworten, die Ordinärheiten, all das dient letztlich der Erkenntnis: Krieg und Geilheit bleiben immer Mode. Hinter dem höhnischen Lachen des Thersites steckt das schmerzhafte Gesicht Shakespeares. Die Bitterkeit dieser noch von David Esrig wird mit Hilfe des Bühnenbildners I. Popescu-Udriste vor einem Sternenhimmel mit Tier- kreiszeichen auf schiefer Ebene mit „Laufgräben“ gespielt. Die Griechen gehaben sich in Fetzen und Fellen brüllend als Barbaren, die Trojaner zeigen als überzüchtete Elegants fast weibische Bewegungen. Nestor ist ein greisenhafter, der Lustknabe Patroklus ein knabenhafter Kretin. Von wenigen Stellen abgesehen, wird Jies zu einer großartigen, mit äußerster Präzision dargebotenen Hans- wurstiade. Die Aggressivität des Shakespearischen Textes geht dadurch verloren. Die Rumänen bewältigen die Schwierigkeiten des Stücks nicht, sie überspringen sie.

Hans Weigel und der 86jährige Robert Stolz haben sich zusammengetan um ein Kammer-Musical zu verfassen, das in den Kammerspielen zur Uraufführung gelangte: „Wohl dem, der lügt!“ Sozusagen als Kanevas diente eine Komödie von Miguel Mihura, die jedoch nach den gerade noch erkennbaren Restbeständen so schwach zu sein scheint, daß sie Weigel offenbar fast völlig durch seine Chansons verdrängen mußte. Aber nun gerieten diese Chansons ganz unweigelisch konventionell, und Hans Hollmann glaubte als Regisseur vollends der Szene durch tänzerische Bewegungen der Darsteller und allerlei Gags aufhelfen zu müssen, was der Wirkung nur vorübergehend zugute kam. Pluspunkte: Die netten Melodien von Robert Stolz und das Spiel von Elfriede Ott und Hans Holt in den Hauptrollen.

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