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Nicht jeder will mit Kommunisten flirten

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Die Flügelkämpfe innerhalb der Sozialistischen Partei Frankreichs dauern an. Der Streit um Ideologie und Personen ist in dieser politischen Gruppierung allerdings nichts außergewöhnliches: Er wurde der Partei schon mit in die Wiege gelegt.

Die Sozialistische Partei Frankreichs wurde im April 1905 gegründet und präsentierte sich als Teil der marxistischen Weltbewegung. Allein der Name der Partei drückte dies aus: SFIO (Section Francaise de l'Interna-tionale Ouvriere, Französische Sektion der internationalen Arbeiterbewegung). Obwohl diese neue politische Kraft über hervorragende Männer verfügte, etwa den weltbekannten Volkstribunen Jaures oder Leon Blum, gelang es nicht, die Einheit der SFIO zu bewahren.

1920 entschied sich die Mehrheit der Partei, der kurz zuvor gegründeten III. Internationalen beizutreten, wodurch sich dieser Flügel automatisch zur Kommunistischen Partei Frankreichs entwickelte. Sowohl in der Dritten als auch in der Vierten Republik nahm die SFIO aber trotz der Trennung eine Schlüsselstellung ein.

Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde ernsthaft erwogen, die neue christlich-demokratische Partei MRP mit SFIO zu vermählen und eine Arbeiterpartei im Stile der englischen zu gründen. Das kühne Projekt scheiterte jedoch an der Frage, inwieweit die katholischen Privatschulen vom Staat mitfinanziert werden sollten: Während die Sozialisten bei einem gewissen Antiklerikalismus verharrten, waren die Christdemokraten des MRP selbstverständlich gezwungen, die Interessen ihrer katholischen Wähler bezüglich der Privatschulen zu vertreten.

Aus diesen scharfen Gegensätzen, sowie aus den Kolonialkriegen, wuchsen jene Kräfte, die den Sturz der Vierten Republik mitherbeiführten. Als 1958 General de Gaulle überraschenderweise wieder an die Macht kam, wurde die SFIO immer stärker in ein politisches Niemandsland gedrängt.

Die gegenwärtige interne Situation der Sozialistischen Partei Frankreichs weist eine erstaunliche Kontinuität der langen, mühevollen, manchmal auch glorreichen Geschichte dieser Bewegung auf: Nach wie vor gibt es innerhalb der Partei eine Mehrheit und eine Minderheit. Auch heute gibt es einige SP-Spit-zenpolitiker, die die Zusammenarbeit mit den Kommunisten begrüßen und sich mit dem Programm der beiden Linksparteien von 1972 mit Freuden einverstanden erklären. Diese Gruppe nennt sich C.E.R.E.S. und vertritt etwa 20 Prozent der Mandate.

Mit der Persönlichkeit des jetzigen Parteichefs Francois Mitterand hat die SP auch wieder eine politische Vaterfigur an der Spitze. Mitterand kommt jedoch nicht unmittelbar aus der sozialistischen Bewegung

Obwohl Mitterand mehrfach unmißverständlich erklärte, daß er kein Marxist sei, gewann doch seine Neigung, politische Analysen auf marxistischer Basis zu präsentieren, an Gewicht. Demgegenüber treten zwei Politiker auf, die den Flirt mit der Kommunistischen Partei ablehnen und im Stil der skandinavischen und deutschen Sozialdemokratie die nationalen und internationalen Probleme angehen und lösen wollen.

Es sind dies der Bürgermeister von Lille, Pierre Mauroy, und der-wendige Polittechnokrat, Michel Rocard. Obwohl eine der ehrwürdigen Gestalten der Partei, der Bürgermeister von Marseille, Deferre, sich für einen Waffenstillstand und eine Aussöhnung ausgesprochen hatte, fehlten Mauroy und Rocard jedoch auf dem Minikongreß, den Mitterand für Ende Juni in Paris einberufen hatte.

Schon im Mai fand ein Kongreß in Metz statt, wo die Gegensätze hart aufeinandergeprallt waren. Sowohl personelle wie ideologische Momente spielten und spielen noch immer eine Rolle, wenn es um die Führung der Partei geht. Bisher ist es Mitterand noch immer gelungen, seine Gegner aus dem eigentlichen Machtbereich der Partei zu entfernen und er wird sich bei der 1981 stattfindenden Präsidentschaftswahl wohl auch neuerlich als Spitzenkandidat der Sozialistischen Partei präsentieren

Aber die Minderheit schläft nicht. So kann man auch damit rechnen, daß die französischen Sozialisten eine langwierige Wüstenwanderung unternehmen müssen, um die eigenen Strukturen zu festigen, damit die Prophezeiungen Mitterands auch Realität werden: daß die Sozialistische Partei nämlich die erste Frankreichs sei, alleine fähig, der schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise der Nation Herr zu werden.

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