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Schweiz: Soll man Preise überwachen ?

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Sollen in der Schweizer Verfassung wirtschaftspolitische Instrumentarien zur Überwachung der Preise verankert werden, und wenn ja, welches Modell soll dann gewählt werden? Darüber haben die Schweizer Stimmbürger am 28. November an der Urne zu befinden. Die Fronten sind zwar abgesteckt, der Ausgang der Abstimmung aber ist eher ungewiß.

Die Preisüberwachung ist in der Schweiz nichts Neues. Anfang der siebziger Jahre, als die Teuerung stark zunahm, beschloß der Bund ein ganzes Paket von Maßnahmen, besonders für das Geld-und Kreditwesen und den Baumarkt. Ende 1972 wurde auf dem Weg über Notrecht (da eine verfassungsmäßige Grundlage fehl te) eine Preisüberwachung eingeführt, die das Stimmvolk 1973 und 1976 mit jeweils deutlichem Mehr absegnete.

Die vom Bund eingesetzten ,.Preisüberwacher" erfreuten sich großer Popularität, und das Amt ebnete ihnen den Weg zu weiterer Karriere. Der erste Preisüberwacher Leo Schürmann ist heute Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens, sein Nachfolger Leon Schlumpf sitzt gar in der Landesregierung.

Der Bundesrat stellt heute rückblickend fest, daß die bis 1978 geltende Preisüberwachung (eine nochmalige Verlängerung ohne gesetzliche Grundlagen war nicht mehr möglich) die gesetzten Erwartungen erfüllt habe. Die Institution dürfte mitgeholfen haben,den Teuerungsanstieg zu verlangsamen.

In zahlreichen politischen Vorstößen wurde in der Folge verlangt, die Preisüberwachung müsse in irgendeiner Form weitergeführt und in der Verfassung verankert werden.

So wurde im Sommer 1979 von drei Konsumentinnen-Organisationen eine Initiative „zur Verhinderung mißbräuchlicher Preise" mit rund 133.000 Unterschriften eingereicht. Sie verlangt einen Verfassungsartikel für eine dauernde staatliche Preisüberwachung. Sie will vor allem den Konsumenten vor Nachteilen schützen, die aus dem Mangel an Konkurrenz entstehen (also bei Kartellen und ähnlichen Gebilden) und mißbräuchliche Preise verhindern und herabsetzen können.

Anderer Meinung ist die Landesregierung. Sie ist zwar nicht grundsätzlich gegen Preisüberwachung, die Initiative geht ihr aber zu weit und scheint ihr systemwidrig und ungeeignet, um dem Problem Herr zu werden.

Der Bundesrat hat deshalb einen Gegenvorschlag unterbreitet, der eine Preisüberwachung bei hoher Teuerung auf eine begrenzte Zeit vorschlägt und bei Abflauen der Inflation dieses Instrumentarium wieder einfrieren möchte. So sei eine Bekämpfung der Teuerung ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand möglich, was von den Initianten allerdings bestritten wird, weil der Bund nicht prophylaktisch, sondern erst eingreifen könne, wenn die Teuerung schon ein stattliches Ausmaß angenommen habe.

Der Bundesrat lehnt mit seinem Gegenvorschlag die Behauptung der Initiantinnen ab, es gebe in der Schweiz überhaupt zu wenig Konkurrenz. Deshalb ist seine Vorlage konjunkturpolitisch ausgerichtet, während die Initiative deutlich marktpolitische Züge trägt. Für den Bundesrat soll die Preisüberwachung nur als flankierende Maßnahme zur Bekämpfung der Inflation dienen, so wie es von 1973 bis 1978 der Fall war.

Das Parlament stimmte nach ausgiebigen Debatten dem Antrag des Bundesrates zu; die Vertretung der Kantone (Ständerat) recht deutlich, der Nationalrat dagegen nur mit einer Stimme Mehrheit.

Eine Reihe von Parlamentariern sprach sich gegen jede Art von Preisüberwachung aus, weil sie sie für unvereinbar mit dem geltenden System freier Marktwirtschaft halten.

Von den vier Bundesratsparteien lehnen die rechts angesiedelten Freisinnigen und die bäuerlichgewerblich ausgerichtete Schweizerische Volkspartei die Initiative ab und erklären sich mit dem Gegenvorschlag einverstanden. Die Sozialdemokraten befürworten die Initiative und sprechen sich gegen den Gegenvorschlag aus. Die Christdemokraten konnten sich überhaupt zu keiner Stellungnahme durchringen und gaben die Stimme frei. Die kleineren Parteien links und rechts stimmen mehrheitlich der Initiative zu.

Für ein Nein zu beiden Varianten sprach sich die vor allem in der Westschweiz noch recht starke Liberale Partei aus. Für das doppelte Nein sind auch die Dachverbände der Arbeitgeber und des Gewerbes, während die Gewerkschaften und natürlich die Konsumentenorganisationen für die Initiative eintreten.

Bei einem Nein zu beiden Vorschlägen (für politische Auguren der wahrscheinlichste Abstimmungsausgang) bleibt es beim bisherigen Zustand, daß eine Preisüberwachung höchstens über befristetes Notrecht eingeführt werden kann. Welche der beiden Änderungsvarianten dann mehr Ja-Stimmen erhält, spielt keine Rolle.

Diese Abstimmungspraxis wird in der Schweiz übrigens derzeit stark diskutiert, weil sie nach Meinung vieler den Status quo über Gebühr bevorteilt und den Gegnern einer Initiative mit dem taktischen Kniff eines Gegenvorschlags erlaubt, Initianten den Wind aus den Segeln zu nehmen und so eine Nullösung zu erreichen.

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