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Mit Volksbegehren zu mehr Ferien ?

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Zu vier Vorlagen haben die Schweizer Stimmbürger am 10. März an der Urne zu befinden. Im Zentrum der Diskussion stehen eine von linker Seite eingebrachte Ferien-Initiative und eine Neuregelung bei den Ausbildungsbeihilfen.

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Zu vier Vorlagen haben die Schweizer Stimmbürger am 10. März an der Urne zu befinden. Im Zentrum der Diskussion stehen eine von linker Seite eingebrachte Ferien-Initiative und eine Neuregelung bei den Ausbildungsbeihilfen.

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Angesichts des Wandels in der Arbeitswelt unter dem Einfluß neuer Technologien, der von den Werktätigen nicht nur große Flexibilität fordert, sondern oft auch stärkere Belastungen und eine Erhöhung der Arbeitsintensität mit sich bringt, haben die Gewerkschaften mit Erfolg versucht, über Gesamtarbeitsverträge zu einer schrittweisen Reduktion der Wochenarbeitszeit zu kommen. Diese beträgt in der Schweizer Industrie heute durchschnittlich 43,5 Stunden. 1970 lag sie noch bei 44,7 Stunden.

Auch bei den Ferien konnten Fortschritte erzielt werden. Ein Mindestanspruch von vier Wochen hat sich in den meisten Branchen durchgesetzt.

Doch die Sozialdemokratische Partei und der Gewerkschaftsbund wollen eine verfassungsrechtliche Verankerung des Min-destferienanspruches, der heute in der Privatwirtschaft im Obligationenrecht festgelegt ist, während für die Beamten Gesetze gelten.

Mit einem 1978 lancierten Volksbegehren sollen vier Wochen Ferien für alle und fünf Wochen für Arbeitnehmer bis zum 20. und ab dem 40. Altersjahr garantiert werden. Die Initianten sehen in der Verwirklichung ihres Begehrens neben der zentralen Erhöhung der Lebensqualität auch eine positive Auswirkung auf den Arbeitsmarkt. Mit den 600.000 bis 700.000 zusätzlichen Ferienwochen könnten einige hundert Arbeitsplätze neu geschaffen oder erhalten werden.

Bei der Landesregierung und beim Parlament stieß die Initiative auf einiges Verständnis, zeigte sich doch, daß im Zeitpunkt ihrer Lancierung die Bestimmungen im Obligationenrecht (zwei Wochen Ferien für jedermann) von der Entwicklung längst überholt waren. Deshalb entschloß man sich zu einer Revision des geltenden Rechts, die bereits seit Juli 1984 in Kraft ist. Seither sind vier Wochen Ferien für jedermann, fünf Wochen für unter 20jährige garantiert.

Man hatte eigentlich erwartet, daß dieser Kompromißvorschlag, um den das Parlament lange rang, die Initianten zum Rückzug ihres Volksbegehrens bewegen könnte. Denn nur eine wichtige Forderung blieb unerfüllt: Die fünfte Ferienwoche ab dem 40. Altersjahr. Diese wird von der Wirtschaft als zu starke Belastung abgelehnt.

Die Gegner der Initiative fechten zudem mit einem praktischen Argument. Eine Verankerung des Ferienanspruches in der Bundesverfassung sei unzweckmäßig. Jede Änderung würde eine Verfassungsrevision und damit eine Volksabstimmung provozieren. Das Volksbegehren dürfte am 10. März klar verworfen werden.

Bei den drei weiteren Abstimmungsvorlagen geht es vordergründig eher um unwichtige Details. Dahinter steht aber einer der staatspolitisch sicher wichtigsten Entscheide der Schweiz dieses Jahrzehnts. Es geht um eine Rückbesinnung auf die Aufgabenteilung zwischen dem Bund und den Kantonen als Gliedstaaten, nach dem Prinzip, daß der Bund nur Aufgaben übernehmen sollte, welche die Kantone nicht aus eigener Kraft lösen könnten.

In den letzten Jahren hatten sich die Gewichte zusehends in Richtung Bund verschoben, es war mithin eine Entwicklungzum; Zentralstaat und ein Abbau des Föderalismus als Staatsziel zu bek obachten.

In einer großen Kraftanstre-nung sollen die Verantwortungen nun wieder ins ursprüngliche Gleichgewicht zurückgeführt werden. 110 Entflechtungsmaßnahmen in rund 30 Sachgebieten sollen den Kompetenzknäuel entwirren.

Wo es um Gesetzesrevisionen geht, ist das Parlament zuständig — es sei denn (was bisher nicht geschah), das Referendum würde ergriffen. Wo Verfassungsänderungen nötig sind, muß aber das Schweizer Volk obligatorisch an die Urne. Am 10. März werden ihm in diesem Zusammenhang drei Vorlagen unterbreitet. Völlig unbestritten ist der Rückzug des Bundes von Bagatellsubventio-nen an die Kantone im Bereich der Volksschule und im Gesundheitswesen.

Zum Teil heiße Köpfe gibt es dagegen bei der Absicht des Bundes, die Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen (Stipendien) voll den Kantonen zu überlassen, nachdem das Schulwesen in deren Kompetenz fällt.

Die Gegner (Linksparteien, Studentenschaften und bei den bürgerlichen Gruppierungen meistens die Jungen) befürchten, daß das jetzt schon bestehende, zum Teil krasse Ungleichgewicht unter den Kantonen noch verstärkt würde und Stipendiaten finanzschwächerer Gegenden benachteiligt würden.

Allerdings soll mit der Vorlage der Finanzausgleich wesentlich ausgebaut werden. Doch es herrscht ein breites Mißtrauen, ob die Kantone ihrer stärkeren Verantwortung in der Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen nachkommen.

Mit einem Nein wäre aber bereits ein Stück aus dem staatspolitischen Gesamtkuchen Aufgabenteilung herausgebrochen.

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