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Wechsel im Departement des Innern

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Strenggenommen, ist also der schweizerische Föderalismus auch in seinem „Reduit“, in der Kulturpolitik, in die Defensive gedrängt. Die Föderalisten haben die Aufgabe, ihm hier soviel Lebensraum als möglich auszusparen. Die Tatsache, daß das eidgenössische Kulturministerium — das sogenannte „Departement des Innern“ — von bewährten, konservativen Händen in die Obhut eines Sozialisten übergegangen ist, muß dabei von ihnen in Rechnung gestellt werden. Es muß gerechterweise festgestellt werden, daß der neue eidgenössische Kulturminister bisher die Gefühle der Föderalisten geschont hat; nur weiß man nicht, wieweit dahinter eine auf weite Sicht berechnende Strategie steckt. Der Departementsentwurf zu einem neuen Verfassungsartikel über die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen im Stipendienwesen läßt darüber keine Schlüsse zu, da er die eigentlichen Entscheidungen der Ausführungsgesetzgebung vorbehält. Unbestritten ist bei Föderalisten und Zentralisten die Notwendigkeit, jedem Begabten den Zutritt zum Studium zu ermöglichen und zu diesem Zweck die Stipendien großzügig auszudehnen. Uneins sind sie sich aber über den Weg. Linkskreise postulieren, daß von Staats wegen eine automatische Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie jedes Mittelschulabsolventen vorgenommen und dieser von den Behörden beim Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen auf seine Stipendienberechtigung ausdrücklich hingewiesen werde. Demgegenüber halten bürgerliche Kreise weiterhin daran fest, daß der Stipendienberechtigte sich um ein Stipendium bewerbe. Der Departementsvorschlag läßt, wie gesagt, diese Streitfrage offen. Er sieht Bundesbeiträge an die Kantone zur Mitfinanzierung ihrer Stipendienaufwendungen vor, darüber hinaus aber auch die Möglichkeit, daß der Bund „selber Maßnahmen ergreifen oder unterstützen kann, die eine Förderung der Ausbildung durch Stipendien bezwecken“.

Die Stipendien beschränken sich übrigens nicht auf Schweizer Studenten. Unlängst hat das Parlament eine Vorlage verabschiedet, welche großzügige Studienbeiträge an Studenten aus Europa und den Entwicklungsländern ermöglicht. Schon heute weisen die Schweizer Hochschulen von allen europäischen Universitäten den größ-

ten Prozentsatz ausländischer Studierender aus. Anderseits beklagen sich aber Schweizer Dozenten und Studenten darüber, daß alle Schweizer Hochschulen überfüllt sind und öfter nicht genügend Plätze in den Labors und Instituten zur Verfügung haben. Und das, obwohl ein von Jahr zu Jahr empfindlicherer Mangel an akademischem Nachwuchs aller Sparten herrscht. So ist es nicht verwunderlich, daß nicht nur die Forderung nach einer Innerschweizer Universität in Luzern weitherum im Land Anklang findet, sondern auch der Ruf nach einem großzügigen Ausbau der bestehenden Hochschulen. Er vermischt sich mit dem Ruf nach finanzieller Entlastung der Universitätskantone durch den Bund. Tatsächlich lasten die Kosten für die schweizerischen Hochschulen fast ganz auf den wenigen Kantonen, die sie tragen... obwohl alle Kantone von ihnen profitieren. In dem Maß, wie die Kosten für die Universitäten infolge stets wachsender Studentenzahlen, neuer Disziplinen und teurer Forschungsaufgaben wachsen, übersteigen sie das den Hochschulkantonen zumutbare Maß. Daher der Ruf nach Beiträgen des Bundes, der zur Ausarbeitung einer Vorlage geführt hat, die zur Zeit im Entwurf liegt.

Diese die Hoheit der Kantone ebenso wie die Freiheit der Forschung und Lehre tangierenden Ideen haben die Föderalisten auf den Plan gerufen. Sie verlangen, daß die Autonomie der einzelnen Universitäten bei aller Bejahung der besseren Zusammenarbeit unter ihnen gewahrt werde und daß der Bund seine Kontrolle auf die sachgerechte Verwendung der Beiträge beschränke.

Die Koordinationsprobleme des Natur- und Heimatschutzes sind weniger spannungsgeladen, und daher finden sich hier die Föderalisten und die Zentralisten auch relativ leicht auf einer mittleren Linie. Das Jagdgesetz, das jüngst durch die parlamentarische Esse gegangen ist, trägt deutlich diesen Kompromißcharakter.

Alles in allem, haben sich also auch im Land des klassischen Föderalismus dessen Lebensbedingungen verschlechtert. Grund zur Kapitulation besteht indessen nicht. Die Aussichten des schweizerischen Föderalismus richten sich maßgeblich nach dem Realismus, der Beweglichkeit und dem Selbstbehauptungswillen der überzeugten Föderalisten.

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