6882661-1979_15_09.jpg
Digital In Arbeit

Viel Anlaß zu Unbehagen

Werbung
Werbung
Werbung

Von „Demokratieverdrossenheit“ unter der Jugend zu sprechen, halte ich für falsch. Es gibt keine ernstzunehmende Alternative zum demokratischen Rechtsstaat. Trotz aufkeimenden Mißtrauens in Unfehlbarkeit und Kompetenz der Führungselite (Politiker, Wissenschafter, Manager) - der Ruf nach dem „starken Mann“ kommt in Österreich von einer kleiner werdenden Minderheit.

Vorhandenes Unbehagen gilt also nicht der Demokratie, sondern entzündet sich an Bereichen, in denen (praktisch, oft auch formal) demokratische Spielregeln nicht (oder nur beschränkt) gelten, vornehmlich aber an Politikern, Parteien und Verbänden.

Als Erstwähler gefragt, sehe ich vielerorts Anlaß zu Unbehagen: „Versagt ein gewöhnlicher Staatsbürger, verliert er oft Arbeitsplatz, Existenzgrundlage; versagt ein Politiker, wird er Aufsichtsratspräsident!“ Treffend, wenn auch etwas überzeichnet, legt dieses Zitat aus einer Diskussion den Finger auf eine klaffende Wunde: Privilegien. Nicht nur im Rampenlicht stehende Politiker - in ihrem Gefolge wissen auch manche andere „sich's zu richten“.

Machtakkumülation - daraus resultierend mangelnde Publizität und Kontrollmöglichkeit - sind Para-vents, hinter denen Privilegien, Freunderlwirtschaft und Verschwendung in leider zunehmendem Ausmaß gedeihen. Das Wehklagen über die angebliche „Skandalisie-rung des Wahlkampfes“ halte ich für bloße Vernebelungstaktik. Versprochen wurden Privüegienabbau, verstärkte (begleitende) Kontrollmöglichkeiten, mehr Demokratie und Durchschaubarkeit in Parteien und Verbänden (Gewerkschaft, Kammern) schon oft, allzusehr scheint es aber den Politikern mit der Verwirklichung nicht zu eilen!

Versprochen - gebrochen! Schon sind wir beim nächsten Dauerärgernis. Was wird nicht alles vor Wahlen versprochen?! Wen kann die abnehmende Glaubwürdigkeit der Politiker (42% geben laut Umfrage einem ehrlichen Menschen in der Politik keine Chance) angesichts der Legion unerfüllter Versprechungen noch wundern? Gerade die Jugend war in letzter Zeit häufig unter den Getäuschten. Aus „Sechs Monate sind genug“ wurden flugs acht Monate Zwangsverpflichtung, die verheißene Schuldemokratie etwa erwies sich als Beschäftigungstherapie ohne konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten.

Appelle zu Mitwirkung und Engagement „gerade der Jugend“ fehlen in keiner Wahl- oder Festrede von Politikern! Dissonant dazu klingen aber noch die Abkanzelungen von Zwen-tendorf-Gegnern als „rechts- bzw. linksradikale Extremisten“ im Ohr. Allzuoft werden gerade diejenigen, die sich zu Wort melden, diffamiert, als daß man die Aufforderungen zum Engagement als ehrlich gemeint abnehmen könnte.

Verstärkt entscheiden nicht Qualifikation oder Leistung die Postenvergabe, nicht Bedürftigkeit die Wohnungsvergabe usw. Das Weiterwuchern des Parteibuchstaates ist einer der unerträglichsten Auswüchse. Wo bleibt noch ein Freiraum für den NichtOpportunisten, den unorganisierten Einzelnen? “

Zum Unbehagen gesellt sich Enttäuschung! Zu drängend sind die nicht behandelten Fragen: Wie sollen die ungeheuren Zukunftsprobleme gelöst werden? Wachstums- und Energiekrise, die Zerstörung unserer Umwelt, ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten.

Zweifelsohne sind Spiegelfechtereien über mögliche und unmögliche Koalitionsehen einfacher (für Politiker und Journalisten; warum sonst werden sie von den Medien dankbar breitgewalzt?) als die Befassung mit dem notwendigen internationalen sozialen Ausgleich! Wenn sich die Jugend vom Wahlkampf nicht angesprochen fühlt (und deshalb auch zunehmend den Gang zur Wahlurne verweigert), dann nicht zuletzt deshalb, weil sie keine Antwort auf ihre Fragen bekommt.

Zu Unbehagen und Enttäuschung mischt sich der Ärger, wenn dann auch noch der Holzhammer in der politischen Diskussion ausgepackt wird. „Ich oder das Chaos!“ und „Ob bei einer anderen Regierung das Drängen der Gewerkschaftsbasis nach Kampfmaßnahmen noch zurückgehalten werden kann?“

Kleine Lichtschimmer sind dabei nur die letzten Wahlergebnisse. Wien, die Zwentendorf-Abstimmung und Niederösterreich lassen hoffen, daß sich der Wähler doch nicht alles gefallen läßt.

Ich werde wählen gehen. Und zwar gerade deshalb, weil mich einiges ärgert. Und jeder Erstwähler (aber auch jeder andere) soll mit dem Stimmzettel auf poütischen Hochmut antworten. Denn: Entschieden wird unsere Zukunft, so oder so! Nur: wer abseits steht, der kann nicht mitentscheiden.

(Der Autor ist Jusstudent im 8. Semester in Wien und Kartellsenior des MKV.)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung