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18 Länder waren in Paris versammelt: Regierungschefs, Oppositionsführer und Parteispitzen der Sozialisten waren wieder einmal zusammengekommen, um gemeinsame Probleme zu beraten, Einigkeit und Kooperationsbereitschaft zu zeigen; sicherlich auch, um den französischen Genossen ein wenig das rote' Rückgrat zu stärken.

Was aber ist die Internationale? Von den „Bürgerlichen“ teils gefürchtet, teils als roter Mummenschanz abgetan, gelingt es ihr doch, in letzter Zeit zunehmend die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Im Statut der Sozialistischen Internationale wird sie als „eine Vereinigung von Parteien, die für die Verwirklichung des demokratischen Sozialismus kämpfen“, bezeichnet. Weiter heißt es: „Der Zweck der Sozialistischen Internationale ist es, die Beziehungen der ihr angeschlossenen Parteien untereinander zu verstärken und durch freie Übereinkommen ihre politischen Auffassungen und Aktionen zu koordinieren und die Beziehungen zwischen der Sozialistischen Internationale und sozialistischen, sowie anderen progressiven demokratischen Parteien, die nicht Mitglieder sind, aber bereit wären, mitzuarbeiten, zu erweitern. Es ist eine selbstverständliche Aufgabe, auf eine Assoziierung mit einer immer zunehmenden Zahl von gleichgesinnten Parteien hinzuarbeiten.“

Hier wird unter Mitgliederparteien, Parteien mit beratendem Status und Parteien mit Beobachterstatus unterschieden. 36 Parteien genießen Vollmitgliedschaft. Die „Berater“ setzen sich zum Großteil aus Exilparteien kommunistischer Länder zusammen, die Parteien mit Beobachterstatus bestehen aus sieben lateinamerikanischen Arbeiterparteien.

yon den 36 Mitgliedsparteien sind derzeit immerhin 16 mit Regierungsgewalt ausgestattet.

Dazu kommen noch sieben Mitgliedsparteien des sogenannten Asien-Paziflk-Bureaus.

Die sozialistischen Parteien verfügen laut eigenen Angaben über 14 Millionen Mitglieder und mobilisieren rund 75 Millionen Wähler.

Oberstes Organ der Internationale ist der Kongreß, der alle drei Jahre zusammentritt (zuletzt 1972 in Wien); mindestens einmal im Jahr tagt der Generalrat.

Dem Bureau der Internationale gehören die wichtigsten und größten Parteien, aber nicht mehr als 18 Mitgliedsparteien, an. Dem Bureau obliegt die Leitung der vom Sekretariat durchzuführenden organisatorischen Arbeiten und die Fassung politischer Beschlüsse.

Die „internationale Arbeiterassoziation“, deren Generalsekretär noch Karl Marx selbst war (seit 1864), nennt man heute die Erste Internationale; sie scheiterte in der Folge am Problem des Anarchismus (Streit Marx — Bakunin).

Die Zweite Internationale wurde 1889 in Paris gegründet. Für sie war der Konflikt zwischen „orthodoxen“ Marxisten und Revisionisten charakteristisch. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs erfolgte ihr Zusammenbruch. Nach dem Kriege schlössen sich die kommunistischen Parteien der sogenannten Dritten Internationale an und anerkannten zugleich die russische Führung. Die Spaltung zwischen der Zweiten und der Dritten Internationale war unüberbrückbar, Einigungsversuche scheiterten, und 1923 wurde in Hamburg die Sozialistische Arbeitsinternationale gegründet.

Nach dem zweiten Weltkrieg erfolgte — nach zahlreichen Konferenzen — die Neugründung der Internationale im Juli 1951 in Frankfurt.

Zweifellos ist es für sozialistische Parteien ein großer Vorteil, eine, wenn auch lose, Organisation internationaler Zusammenarbeit zu haben. Man sollte jedoch die politische Bedeutung der Internationale nicht überschätzen. Ihre Funktion dürfte bei den heutigen Möglichkeiten der Informationsübermittlung und Nachrichtentechnik weniger in der Kooperation liegen (diese kann heute ohnehin leicht auf anderem Weg erzielt werden), sondern eher in ihrem propagandistischen und plakativen Effekt, der sich neuerdings besonders anläßlich der mit großem Publicity-Aufwand abgeführten Kongreßshow manifestierte.

Wenn der Sekretär des Bureaus der Internationale, Hans Janit-schek, jedoch kürzlich meinte, daß die katholische Kirche und der Sozialismus die einzigen großen Vereinigungen seien, die über eine weltumspannende Organisation verfügten (wobei die Kirche von „jener“ und die Sozialisten von „dieser“ Welt seien), so ist dies jedenfalls ein Beispiel für die maßlose Überbewertung der Organisation.

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