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Die Krise der Ehe und ihre Überwindung
Auch Bücher über Ehe- und Sexualprobleme weisen eine ausgesprochene inflationistische Tendenz auf, die zwangsläufig mit Wertverlust verbunden ist. Das vorliegende Buch gehört zu den minder erfreulichen Zeiterscheinungen auf diesem Gebiet; es zeichnet sich außerdem durch eine besonders ungepflegte Sprache unvorteilhaft aus. Der Verfasser erkennt zwar richtig und bringt auf p. 31 zum Ausdruck, daß Spezialärzte für Eheberatung und Sexuologie für die heutige Zeit eine Notwendigkeit wären. Ob er aber selbst über die wissenschaftliche Vorbildung verfügt, um eine umfangreiche briefliche Fernberatungstätigkeit auszuüben, geht aus dem Titel nicht hervor; der Inhalt spricht eher dagegen, daß Verfasser Arzt ist. — Eines muß man ihm allerdings zubilligen: Aus einer — zwar falschen, aber immerhin weitverbreiteten — naturwissenschaftlich-philosophischen Prämisse zieht er alle daraus resultierenden Schlußfolgerungen mit einer beachtlichen Konsequenz. Seine Prämisse ist die Anschauung des naturwissenschaftlichen Materialismus, daß der Mensch nicht ein Geschöpf Gottes ist, sondern das Produkt einer unendlich langen „Entwicklungsreihe“, die von primitivsten Lebensformen bis zum heutigen Menschen geführt hat, der daher seinerseits noch lange nicht Endglied und Abschluß dieser „ewigen Entwicklung“ ist. Aus dieser Prämisse folgt dann notwendig, daß auch für das Sexualleben und die Ehe des Menschen keine allgemein und dauernd gültigen Normen bestehen können, die etwa der Schöpfer selbst in die Natur des Menschen gelegt hätte, und die alle seine Lebensbeziehungen allgemeinverbindlich regeln; sondern daß auch die
Gesetze und Normen ständig im Flusse sind und sich mit der Zeit notwendig ändern müssen. So, vom Gesichtspunkt einer „zoologischen Anthropologie“ aus, wie sie Heackel und Huxley vorgeschwebt hat, erscheinen dem Verfasser die Normen eines übernatürlich geoffenbarten Sittengesetzes schlechthin „undurchführbar“ (p. 12); der Mensch ist bisher „moralisch überfordert“ worden, und deshalb muß eine neue, „tiefer reichende Moral“ an die Stelle der alten treten. Ein Hauptpunkt dieser „neuen Moral“ ist die „Probeehe“, die an zahlreichen Stellen gefordert wird. Die übrigen Forderungen decken sich mit denen eines radikalen Feminismus; die radikalste gesetzliche Gleichstellung der Frau mit dem Manne wird gefordert; der Hinweis auf die naturgegebenen biologischen und physiologischen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern wird meist sehr von oben herab damit abgetan, daß es sich dabei um „typische Argumente“ reaktionärer Gegner des Feminismus handelt; mit einer solchen Erklärung sind aber die Tatsachen der Anatomie, Physiologie, Embryologie und Sexualbiologie nicht aus der Welt zu schaffen. Man muß doch wohl von einem Autor, der es unternimmt, über Probleme von derartiger Tragweite zu schreiben, wenigstens verlangen, daß er diese Probleme in ihren vielseitigen Verzweigungen wirklich gründlich studiert, ehe er es unternimmt, darüber zu schreiben. Aber immerhin sei anerkannt, daß der Verfasser sich wenigstens bemüht, die christlich-katholische Lösung des Eheproblems einigermaßen gereclit darzustellen und ihre „erhabene LTnbeirrbarkeit“
betont (p. 256 ss). Wenn er auch von ihr nicht mehr zu rühmen weiß, als daß sie „für eine große Zahl von Menschen mehr Vorteile als Nachteile bringt“, und damit zeigt, daß er ihr tiefstes Wesen nicht begriffen hat, so steht der Verfasser allein mit dieser Einsicht schon turmhoch über dem Niveau der Vielzuvielen, die sich heutzutage für berufen halten, Bücher über Eheleben und Scxualprobleme zu schreiben. Der Fundamental-
irrtum seines Buches, aus dem sich alle anderen Irrtümer konsequent ableiten lassen, ist eben die naturalistisch-evolutionistische Grundauffassung, die -einen Wesensunterschied zwischen Mensch und Tier nicht anerkennt. Darum erscheint es jetZjt wirklich hoch an der Zeit, daß sich die Wissenschaft endlich von diesem Grundirrtum lossagt.
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