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Bauherr sind wir in Europa
Manes Sperber: Seit seiner Jugend wollte er wissen, „was hinter den Hügeln der Hügel ist”. Auch er hat es zeitlebens nie erfahren. Aber zumindest innerweltlich möchten wir es immer schneller immer genauer wissen. Und ein Jahr nach der Volksabstimmung über Österreichs EU-Beitritt glauben viele Österreicherinnen und Österreicher zu wissen, daß sie die EU zu positiv eingeschätzt haben.
In Wirklichkeit muß man ehrlicherweise sagen, daß sich ein knappes Halbjahr nach dem tatsächlichen Beitritt nicht einmal eine seriöse Zwischenbilanz erstellen läßt. Für die meisten von uns hat sich spürbar kaum etwas geändert. Vieles von dem, was sich tatsächlich geändert hat, wäre auch ohne EU-Mitgliedschaft passiert, weil das Leben ja nicht stehengeblieben wäre.
Manche Lebensmittel sind billiger geworden, zu viele noch nicht. Auch bei anderen Waren sind mittelfristig Preisrückgänge oder doch gebremste Anstiege zu erwarten. Komplizierte Märkte (und einige uneinsichtige Händler) reagieren nicht so rasch. Viele Bauern haben Grund zur Klage: Aber auch die bisherige Agrarpolitik war ziemlich am Ende ihrer Weisheit. Der Durchzugsschwerverkehr ist ein immer noch nicht befriedigend gelöstes Problem. Tausende Arbeitsplätze wurden neu geschaffen ~ das ist nachweisbar. Andere gingen verloren -das wäre auch ohne Beitritt vielfach passiert, was kein ehrlicher Anhänger des Beitritts verschwiegen hat. Kurz: Wir sind dabei, im neuen
Hubert Feichtlbauer
Großraum allmählich Tritt zu fassen. Und - das ist wohl das Aller -wichtigste - wir reden mit. Das gilt zum Beispiel von der Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel, die Österreich im Verein mit Deutschland und anderen EU-Ländern verlangt. Und zusammen mit Finnland und Schweden will Österreich der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Vorrang einräumen.
Wir sind dabei und können mitgestalten: Das ist und bleibt der Hauptvorteil unserer Mitgliedschaft. Denn das vereinte Europa wüchse und vertiefte sich auch ohne uns. Und wir müßten uns den meisten Veränderungen auch als Nichtbeteiligte, aber Mitbetroffene nolens volens anpassen.
Im besonderen gilt dies auch für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Daß eine solche die Voraussetzung für die Lösung bisher ungelöster Probleme (wie etwa des Krieges in Bosnien und Kroatien) ist, leuchtet ein. Wie eine gesamteuropäische Sicherheitsordnung aussehen wird, weiß heute noch niemand. Aber wir können mitsteuern.
Deshalb gibt es für Jammern auch heute keinen Grund. Niemand hat das größere Europa als Schlaraffenland versprochen. Es ist ein Bauplatz, auf dem wir nicht Kibitze, sondern einer der Bauherren sein können, sollen und wollen.
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