Werbung
Werbung
Werbung

... oder, genauer: Schafft sie mehr als den Sieg der Union?

Zu den Seltsamkeiten dieses deutschen Wahlkampfs gehört, dass man bisweilen den Eindruck hat, das Match liefe zwischen Edmund Stoiber und Oskar Lafontaine. Die beiden verbindet in der Tat einiges: zunächst ein beachtliches Maß an populistischer Begabung - der Hang zu drastischen, plakativen Formulierungen, zu simplizistischen Erklärungen und Lösungsansätzen; dann vor allem aber das - unterschiedlich ausgeprägte - Spannungsverhältnis zur Führung ihrer angestammten Partei. Nicht von ungefähr covert der Spiegel ein Streitgespräch zwischen den beiden mit "Sie Frustrierter, Sie!". Lustvoll werfen sie da einander die jeweiligen Enttäuschungen an den Kopf: Der eine, Stoiber, muss zusehen, wie eine Frau aus dem Osten (wo die Menschen ja bekanntlich nicht so intelligent wie in Bayern sind...) vermutlich das erreicht, was er 2002 - noch dazu im Osten! - verspielt hat: die Kanzlerschaft. Der andere, Lafontaine, der einst Seit' an Seit' mit Gerhard Schröder schritt und fröhlich rief: "Danke, Helmut, es reicht", überwarf sich bereits nach fünf Monaten als Finanzminister mit seinem Kanzler und sinnt seither auf Rache.

All das macht natürlich Lafontaine und Stoiber in höchstem Maße medientauglich. Ihre starke Präsenz hat aber wohl nicht nur mit ihnen selbst zu tun, sondern auch mit den eigentlichen Protagonisten, Angela Merkel und Gerhard Schröder. Beim Bundeskanzler mag man sich gelegentlich fragen, ob er vielleicht schon insgeheim bei Currywurst und Bier resigniert habe. Von der cdu-Chefin aber kennen wir bislang hauptsächlich ihr noch immer etwas angestrengt wirkendes Lächeln und ihre Wahlkampfwechselphrasen.

"Nur, weil sie eine Frau ist?" soll man sie wählen, fragte die Zeit in ihrer letzten Ausgabe auf Seite 1. Nein, gewiss nicht. Zumindest zwei Dinge darf man von einer unionsgeführten Bundesregierung erwarten: Das eine ist mit dem Namen Paul Kirchhof verbunden und betrifft das Steuersystem. Es wird vermutlich nicht zu der von Kirchhof, Merkels Finanzexperten, propagierten Flat tax, also einem einheitlichen 25-Prozent-Steuersatz kommen - aber zu einer deutlichen Senkung, die mit entsprechenden Vereinfachungen einhergeht. Dem stehen natürlich soziale Bedenken gegenüber. Aber bevor man auf solche Vorstöße mit der Neoliberalismus-Keule prügelt, sollte man doch ernsthaft diskutieren, ob moderatere Sätze plus Transparenz des Systems nicht die Steuermoral und damit letztlich das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zur öffentlichen Hand positiv beeinflussen könnten. Vermutlich sind auch unter jenen, die hohe Steuern als Ausweis eines "starken Staates" halten, nicht wenige, die ebendiesem Staat ausweichen, wo es nur geht.

Der zweite Bereich ist die Außenpolitik. Hier ist mit einer deutlich anders akzentuierten, weit realistischeren Haltung zur eu/Türkei-Frage zu rechnen, für die das Stichwort "privilegierte Partnerschaft" steht. Man wird es, wie etwa Franz Fischler im Gespräch mit dieser Zeitung unlängst erklärte, anders nennen müssen, aber an der Sache führt wohl kein Weg vorbei. Zu begrüßen wäre aber auch eine Abkehr von Schröders geradezu aufreizend anbiedernder, opportunistischer Russland- und China-Politik sowie ein weniger hemdsärmelig-polterndes, der Bedeutung des Landes angemesseneres Auftreten im heiklen Gefüge der Europäischen Union; und nicht zuletzt - bei aller berechtigten Kritik an der Bush-Administration - ein verbessertes transatlantisches Verhältnis, auch im Hinblick auf die neuen eu-Länder.

Das alles wäre nicht wenig. Aber reicht es schon für eine Kanzlerin Merkel, zumal vieles wohl mit der cdu und einzelnen Personen in ihr, nicht aber unbedingt mit der Kandidatin selbst zu assoziieren ist. Die Frage "Schafft es Merkel?" müsste eigentlich meinen: Schafft sie es, diesem Land wieder eine seiner Größe und seinem Gewicht adäquate Rolle zu geben, das Vertrauen der Menschen in ihr Land - und das europäische Einigungsprojekt, das ohne Deutschland nicht vorankommen kann - zu stärken, Missmut und Zukunftsängste zu bannen, mental zusammenzuführen, was schon nach Willy Brandt "zusammengehört"? Bei diesen Fragen ist Skepsis am Platz. Positiv überraschen lassen wir uns gerne.

rudolf.mitloehner@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung