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„Leistungsfähigere Partei“

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FURCHE: Welche Auswirkungen hat der Kanzlerwechsel auf die CDU?

BIEDENKOPF: Das kann man noch nicht abschließend beurteilen. Sicherlich ist die Umbildung der Regierung mit einer zumindest vorübergehenden Konsolidierung der

sozial-liberalen Koalition verbunden. Der Wechsel von Brandt zu Schmidt Ist eine neue Herausforderung, aber eine in meinen Augen durchaus will-

kommene Herausforderung für die CDU.

FURCHE: Werden Sie den Wechsel in der Regierung mit einer Änderung Ihrer Strategie quittieren?

BIEDENKOPF: Man , kann auf einer solchen Grundlage — wir kennen bisher nur die Regierungserklärung Schmidts — keine Auskunft über strategische Veränderungen geben. Wir haben im Augenblick keine Veranlassung, unsere Strategie zu ändern. Nach der Wahl in Niedersachsen wird die Partei eine Strategieüberprüfung vornehmen, aber nicht vorher.

FURCHE: Die SPD wirft den Unionsparteien vor, daß sie sich nicht für einen Kanzlerkandidaten entscheiden könne. Sie versucht mit dieser Frage, CDU und CSU in Schwierigkeiten zu bringen.

BIEDENKOPF: Das wird ihr nicht gelingen. Wir lassen uns keine Personaldiskussionen oktroyieren. Das wäre unsinnig. Wir haben unsere Führungsfragen im vergangenen Sommer gelöst. Was die SPD ausgesprochen irritiert, ist, daß das Team an der Spitze außerordentlich gut zusammenarbeitet.

FURCHE: Der Mangel erweist sich im Moment also als Vorzug.

BIEDENKOPF: Das ist kein Mangel. Auch Herr Wehner hat inzwischen erkannt, daß die Führung durch ein Team ein Vorzug ist.

FURCHE: Welchen Stellenwert räumen Sie der Niedersachsenwahl ein?

BIEDENKOPF: Die Niedersachsenwahl ist eine sehr wichtige Entscheidung. Es ist sehr wichtig, daß der Bundesrat in eine stärkere Position kommt, damit die Länder einen Teil der Parlamentsfunktionen übernehmen können, auf deren Ausübung die sozial-liberale Koalition zur Zeit verzichtet.

FURCHE: Was machen Sie für den Trend nach rechts, der in jüngster Zeit der CDU so zugute kommt, verantwortlich?

BIEDENKOPF: Wir haben das sehr genau analysiert: Wir haben zunächst eine Desillusionierung der Bevölkerung gegenüber den von der sozial-liberalen Koalition geweckten Erwartungen. Wir haben dann in den letzten Monaten zunehmend ein Abwenden von der Regierungskoalition wegen der Führungsschwäche gehabt. Ganz wichtig sind die von der Inflation ausgelösten Unruhen und Ängste. Aber parallel dazu sind die Erwartungen, die an CDU/CSU gestellt werden, ständig im Steigen begriffen. Wir haben auf Grund der jüngsten Umfragen in Niedersachsen eindeutig eine Veränderung in der Einstellung der Bevölkerung bezüglich der Leistungsfähigkeit der beiden großen Parteien zugunsten der CDU feststellen können. Die CDU

gilt wieder in fast allen Punkten, die die Bevölkerung für wichtig hält, als die leistungsfähigere Partei. Wenn jetzt die Regierung an Leistung abnimmt, so muß automatisch die Bedeutung der Alternative, der CDU, zunehmen.

FURCHE: Hat die Regierungsumbildung auch beim Wähler diesen Eindruck hinterlassen?

HASSELMANN: Die Wähler neigen keineswegs stärker der SPD zu. Meine Erfahrungen im Wahlkampf beweisen mir das täglich.

FURCHE: Stimmt der Eindruck, daß die CDU nunmehr der SPD vor allem eine extreme ideologische Ausrichtung vorwirft, während bis zu

Brandts Rücktritt der SPD, vor allem Handlungs- und Regierungsunfähigkeit vorgeworfen wurde?

HASSELMANN: Nein. Man k*n die SPD, die ja eigentlich aus zwei Parteien besteht, ideologisch wie sachlich angreifen. In jeder Beziehung ist sie angreifbar geworden. Herrn von Oertzen etwa greifen wir an, weil er die SPD als systemverändernde Partei sieht. Er spricht bei seinen Genossen davon, daß man sich dieses Staatsapparats nicht bedienen, sondern daß man ihn erobern muß.

FURCHE: Macht es sich im Wahlkampf nachteilig bemerkbar, daß die Unionsparteien noch keinen Kanzlerkandidaten besitzen?

HASSELMANN: Nein, das konnte ich nicht feststellen. Die Wähler wissen, daß erst in zwei Jahren die Wahl eines Kanzlers ansteht.

FURCHE: Wie beurteilen Sie die Rolle der FDP, die sich auch in Niedersachsen klar für eine Koalition mit der SPD ausgesprochen hat?

HASSELMANN: Die FDP ist eine eigenartige Partei. Sie nennt sich eine „freie“ Partei und ist nicht fähig, freie Entscheidungen zu treffen. Es ist auch zu fragen, ob es den Liberalismus klassischer Prägung überhaupt noch gibt. Was es an vertretbarem Liberalismus gibt, das praktizieren wir in unserer Partei.

Die Interviews führte unser Korrespondent in der Bundesrepublik, Wilfried Rott.

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