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Das evangelische Bischofsamt

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Am Donnerstag letzter Woche wurde die Öffentlichkeit von der Nachricht überrascht, daß der Bischof der lutherischen Kirche Österreichs und Vorsitzende des gemeinsamen Oberkirchenrates der lutherischen und reformierten Kirche, D. Gerhard May, am 31. Oktober dieses Jahres nach 24jähriger Amtsführung diese Ämter freiwillig niederzulegen beabsichtigt.

Die Mitteilung dieses Entschlusses durch ein Mitglied des Oberkirchenrates im Rundfunk, die Meldung in den beiden christlichen Pressediensten und schließlich die Information der evangelischen Pfarrer und kirchlichen Mitarbeiter durch ein Rundschreiben Bischof Mays selbst unterstreichen einerseits, welche Bedeutung diesem Schritt von der Kirchenleitung zugemessen wird, und geben anderseits in verantwortungsbewußter Weise rasch und vollständig die Gründe an, welche den Bischof zu diesem Schritt noch vor Ablauf seiner verfassungsmäßigen Amtsdauer im Jahre 1970 bewogen haben.

Rechtzeitige Generationenablöse

Wenn auch Rücksicht auf die in den letzten Jahren stärker in Mitleidenschaft gezogene Gesundheit den Anstoß zu den Überlegungen gegeben haben, wie Bischof May dem lutherischen Oberkirchenrat und Synodalausschuß in einem Schreiben, das nach seinen Worten schon auf den frühen Herbst letzten Jahres zurückgeht, am 10. Jänner darlegt, so sieht er den eigentlichen Grund für die vorzeitige Amtsniederlegung vielmehr in der Notwendigkeit einer rechtzeitigen Generationsablöse, die auf der Einsicht beruht, daß auch über den engagiertesten Zeitgenossen eben diese Zeit hinauswächst. Dieses wohl anzuerkennende Argument enthält in dem Brief Bischof Mays noch eine besondere Note durch den Hinweis, daß Planung und Arbeit auf längere Sicht, wie sie die für Ende März einberufene VII. Synode neben anderem auch mit der verfassungsmäßigen Neuwahl weiterer Oberkirchenratsmitglieder anzugreifen hat, zum Wohl der Kirche auch neue Kräfte verlangt, so daß die neu gebildete Kirchenleitung gemeinsam ihre Tätigkeit beginnen kann. Wird so das Interesse der Kirche vom Bischof selbst auf die weitere, zukünftige Arbeit gelenkt, unterstreicht er diesen Gesichtspunkt noch mit der dringenden Bitte an die verantwortlichen Körperschaften, sich bei der Neuwahl des Bischofs dessen Funktionen, wie sie die Kirchenverfassung beschreibt, zum Richtmaß zu nehmen, aber sich nicht von dem persönlichen Charakter seiner Amtsführung beeinflussen zu lassen.

Wir gehen vermutlich nicht fehl in der Annahme, daß dieser Vorgang nicht allen anderen in gleichem Maß bedeutsam erscheint wie den Lutheranern; selbst wenn man in Rechnung stellt, daß vorzeitiger Amtswechsel von Bischöfen seit neuestem auch in der katholischen Kirche nicht mehr so ungewöhnlich ist, fehlt es doch weithin in unserem 1

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evangelischen Kirchenwesens, mit dem sich ein Bischofsamt entweder nur schlecht oder in Anlehnung an das katholische Verständnis zu reimen scheint.

Verdient schon aus menschlichen und sachlichen Gründen das Aus scheiden eines bekannten Kirchenmannes in führender Stellung nach langer und oft mühsamer Amtsführung unsere Aufmerksamkeit — der Eintritt Bischof Mays in das achte Lebensjahrzehnt im Februar wird sicherlich den richtigen Anlaß bieten, seiner Tätigkeit zu gedenken — so ist es aber der Zukunftsaspekt, auf den der Bischof selbst mit Nachdruck hinweist, der jetzt einige Überlegungen sinnvoll erscheinen läßt.

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