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Das lebendige Filmgewissen
Internationales Filmtreffen in Lindau als Tagung der Filmklubs. 294 Delegierte, vorwiegend aus Westdeutschland, aber auch viele aus Frankreich, Delegierte aus der Schweiz, aus Dänemark, aus Österreich. Im Programm Filmvorführungen, Filmdiskussionen und Beratungen. Unter den Teilnehmern Filmregisseure aus Frankreich und England, Uni- versitätsprofessoren, Geistliche beider christlicher Konfessionen, Journalisten, Rundfunkleute und die führenden Filmmänner des Staates.
Der einheitliche Tenor der Reden dieser Herren findet die schärfste Formulierung in den Sätzen des Ministers Dr. Schwaiber: Man hat bisher die ganze Filmpolitik nur vom Gesichtspunkt der Wirtschaft im Finanz- und Wirtschaftsministerium behandelt Der Film hat aber eine kulturelle Bedeutung, und man kann den kulturell hochwertigen Film nicht vom Standpunkt der Rentabilität messen. Die meisten Ausgaben des Kultusministeriums sind, rein wirtschaftlich gesehen, unrentabel. Aber es ist nicht verlorenes Geld, das wir in die Schule und in die Volksbildung stecken Man müsse auch Millionen investieren für den wirklich guten Film.
Die Filmklubs, die 1947 von Münster ihren Ausgang nahmen — Gegenstück zu Österreichs „Filmfreunden“ —, sind heute bereits zu einer Bewegung angewachsen. Aus den zwölf Klubs, die Ende 1947 bestanden sind heute 120 geworden, die etwa 25.000 Mitglieder zählen. Sie machen mit ihren Veranstaltungen und Diskussionen die Zuschauer filmbewußt, sie führen besondere Filme ,in ihren geschlossenen Vorführungen vor und empfehlen gute Filme im Kinoprogramm. Sie sind, wie der Bundestagsabgeordnete Henning es formuliert, „das lebendige Gewissen dem Film gegenüber“, die Vertretung des anspruchsvollen Publikums, der demokratische Motor, der den Bemühungen des Staates auf diesem Gebiet die Resonanz gibt.
Man müßte über die Filmvorführungen, die von Orson Welles’ „Citizen Kane bis zu Hans Nieter O’Learys wegweisendem Experiment einer dramaturgischen Farbverwendung im „Unsterblichen Herz reichen, berichten, über die straff geführten Diskussionen von hohem Niveau, teilweise mit den Filmschöpfern selbst, welche den Filmen ihren Standort zuwiesen, über die Aufforderung Professor Hagemanns von der Universität Münster an den Kultusminister, Film als Unterrichtsfach einzuführen, und ebenso von den Beratungen über die Jugendfilmklubs und die Erfahrungen mit der Jugendfilmarbeit in Verbindung mit der Schule, um der Bedeutung der Tagung nur einigermaßen gerecht zu werden, die auch für unsere österreichischen Erfahrungen ein aufmerksames Ohr hatte. Ihre Bedeutung ist symptomatisch. Die Bewegung, die hier zum Ausdruck kommt, bahnt eine neue Einstellung des Publikums zum Film an. Sie trägt, wie alle Volksbildungsarbeit, ihre Früchte erst in der Zukunft. Aber auch in der Natur gibt es nichts, das mehr Hoffnung geben könnte als ein Baum, der wächst.
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