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Revolution im Talar

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Der lateinamerikanische Kar' Marx heißt Camilo Torres. Dieser Prophet katholischer Revolutionäre ist der Sohn eines Wissenschaftlers seine Mutter, Isabel Restrepo, stammt aus einer alte kolumbianische Familie. Er hait die deutsche Schule in Bogotä besucht und ist dann gegen den Willen seiner Eltern, die fanatische Freidenker waren, Priester geworden. Er studierte später an der belgischen Universität Löwen vor allem Soziologie. Er sprach perfekt außer seiner spanischen Muttersprache Deutsch, Französisch und Englisch. Nach seiner Rückkehr nach Kolumbien war er vor etwa zehn Jahren Mitbegründer der Soziologischen Fakultät der Universität Bogotä, mußte aber auf Verlangen des über 70 Jahre alten Kardinals Luis Concha Cördoba die Professur aufgeben, als er für die Studenten Partei ergriff, die von der Universität verwiesen worden waren.

Er gründete Später den „Frente Unido“ („Einheitsfront“), der eine gleichnamige Zeitschrift mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren herausgab. Aber sein Versuch, die unzähligen Bhksradikalėn’ Grüppchen in einem Dachverband zusammen- zufassen, 'mißlang. Sein politisches Manifest, das Programm, seiner Bewegung, sah unter anderem eine radikale Agrarreform ohne Entschädigung vor, sollte die Mieter der Währungen in Eigentümer verwandeln und die Großbetriebe weitgehend verstaatlichen. Obwohl Camilo Torres mit äußerster Energie die Behauptung zurückwies, er sei Kommunist, erklärte der Kardinal Luis Concha Cordoba, daß sein Programm mit den Grundsätzen der Kirche nicht in Einklang zu bringen wäre.

„Als meine Vorgesetzten mich baten, mich für die Sache der Revolution oder für das Priestertum zu entscheiden“, schreibt Camilo Torres, „wählte ich die erstere, denn in ihr ist das Wesentliche des Priestertums enthalten…“

„Ich habe die Pflichten und die Vorrechte des Klerus hinter mir gelassen; aber ich habe nicht aufgehört, Priester zu sein; ich glaube, daß ich den Weg der Revolution aus Nächstenliebe beschritten habe.“

Anfangs 1966 trat er in das sogenannte „nationale Befreiungsheer“ ein, stark zersplitterte Guerillagruppen kleinsten Ausmaßes, und wurde wenige Wochen später im Kampf gegen Regierungstruppen getötet.

Helden — nicht Märtyrer

Er ist zum Helden oder Märtyrer finer kleinen, aber sehr aktiven Sruppe revolutionärer Katholiken geworden. Sie werden in einer ähnlichen Fortbildung des Vornamens zwischen „Fidel“ und „Fidelistas“ nach Camilo „Camilistas“ genannt. Ihr eigentlicher Führer ist der kolumbianische Soziologieprofessor Monsignore German Guzmän, der nit Torres zusammen an der Universität von Bogotä gelehrt hat und lurch das grundlegende Werk über len kolumbianischen Bürgerkrieg ,La violencia en Colombia“ („Die Gewalt in Kolumbien“) bekannt geworden ist. Er ist noch Bischof. Als sr kürzlich aus Paris mit der Air France in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo eintraf, um an dem „lateinamerikanischen Treffen Kamilo Torres“ teilzutaehmen, einer Fagung, mit der die Camilisten einen großen Kongreß für 1969 in Bogotä vorbereiten wollten, wurde ihm die Landung unter dem Vorwand versagt, daß er über kein Visum verfüge. Dagegen wurde der Mutter von Camilo Torres die Teilnahme an diesem Kongreß erlaubt. Sie sprach in der Montevideaner Universität wie vier Jahre vor ihr die Mutter von Che Guevara. Die Siebzigjährige erklärte, ihr Sohn sei gegen ihren Willen Priester geworden, aber sie habe ihn vor zwei Jahren gebeten, sie mit in die Guerilla zu nehmen. Sie richtete einen Aufruf an alle Mütter der Welt, ihre Söhne zum Kampf zu erziehen. Sie erklärte, daß sie in Camilo nicht einen Märtyrer, sondern einen Helden zu sehen wünsche.

Der Generalsekretär der Bewegung ist der argentinische linksradikale Katholik Juan Garcia Elorrio. Er ist dadurch bekannt geworden, daß er am 1. Mai 1967, als der ultrakonservative argentinische Kardinal Caggianoin der Kathedrale von Buenos Aires in Gegenwart des Präsident G eneral Juan Carlos Ongania eine Predigt zum Festtag der Arbeit halten wollte, aufsprang und eine castroistische Proklamation in die Kirche schrie. Elorrio nahm an der Tagung der Camilisten in Montevideo zunächst teil, wurde aber dann von der politischen Polizei auf der Straße verhaftet und vor die Wahl gestellt, „freiwillig“ nach Buenos Aires zurückzukehren oder als unerwünschter Ausländer ausgewiesen zu werden. Er fuhr ab. Auf der Tagung wurden die revolutionären Ziele der Bewegung proklamiert. In Schreiben an den Papst wurde dieser gewarnt, nach Lateinamerika zu kommen, da er sich dort nur mit den „Gorillas“ (den „starken Männern“) verbrüdern müsse; auch wurde er ermahnt, gegen den „Vietnammord“ Stellung zu nehmen, damit es ihm nicht so ginge wie seinem Vorgänger, dem das Schweigen angesichts der Opfer der Judenverfolgung von der Nachwelt zur Last gelegt werde.

Guzmän hatte vorher an dem sogenannten „Kulturkongreß“ in Havanna teilgenommen, auf dem vier katholische Priester als Delegierte eine Erklärung verfaßten, in der e« hieß, daß „der Priester Camilo Torres, als er für die revolutionäre Sache starb, das allerhöchste Beispiel christlichen Intellektuellen gab, der sich dem Volke verschriebet! hat..„Wir verpflichten uns zu dem antiimperialistischen revolutionären Kampf bis zu den letzten Konsequenzen, um die Befreiung des ganzen Menschen und aller Menschen zu erreichen“, wie es in Havanna hieß.

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