Kritische Reflexion tut Not

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Die mentiologische Forschung (Lügenforschung) teilt Lügen in drei Bereiche. Sie unterscheidet zwischen Selbstlüge, Fremdlüge und Kollektivlüge. Bei der Selbstlüge belügen wir uns selber, bei der Fremdlüge belügen sich untreue Ehepartner gegenseitig, wie Schüler und Mitarbeiter ihre Lehrer und Chefs. Zur Kollektivlüge schließlich gehören die Werbung und Mode-Trends, ebenso wie die großen politischen Lügen wie Kapitalismus und Faschismus, rassistische und radikale religiöse Parolen. Kurz: Alles, was eine Masse belügt oder manipuliert, und sei es nur durch Verschweigen von Fakten oder Suggerieren von Wünschen, ist Teil der Kollektivlüge.

Manipulation

Auch Propaganda durch Medien fällt in diesen Bereich. Häufig werden bewusst Falschmeldungen verbreitet, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Ursache und Wirkung werden vertauscht, Zahlen und Fakten verfälscht, um die Welt in Gut und Böse einzuteilen, denn alles, was dazwischen liegt, verkauft sich nicht adäquat. Dabei reicht es oft schon aus, mittels bewusster Emotionalisierung vermeintlich sachlich-souverän inszenierter Nachrichten die Scharen derer zu überzeugen, die - auf Sensationslust getrimmt - nach allem Bizarren und Tragischen lechzen.

Solche Lügen beschränken sich jedoch nicht etwa nur auf Medien: Konzerne, Banken, Versicherungen, Militärs und Politiker täuschen und belügen tagtäglich bewusst Menschen aus verschiedensten Gründen. Häufig werden Medienbetriebe von Politikern und Parteien, die an oberster Stufe der Hierarchie der größten Kollektivlügner stehen, missbraucht, um ihren Wählern die Illusion einer sicheren - manchmal auch die einer unsicheren - Welt zu verkaufen.

Die Kriegsberichterstattung zeigt, dass jeglicher Wahrheitsanspruch prinzipiell in Frage zu stellen ist. Denn in der Regel sind es die kriegsführenden Parteien, die entscheiden, was über einen Konflikt berichtet wird. Durch gezielten Informationsfluss zu Freund und Feind werden einerseits die eigenen Reihen von der Legitimität eines Krieges überzeugt und andererseits die Gegner verunsichert. Dabei wurden schon Verbrechen bis zum Genozid sowohl erfunden als auch vertuscht. Die Enttarnung dieser Lügen erfolgt oft erst Jahre oder Jahrzehnte, nachdem sie getätigt wurden. Nämlich dann, wenn der durch die offensichtlich siegreiche Partei verhängte Deckmantel der Zensur löchrig wird.

Doch auch bei entsprechender Enttarnung hält sich die allgemeine Empörung in Grenzen. Wenn überhaupt wahrgenommen, wird die Lüge oft als Weltverschwörertheorie abgetan. Eine "Kollektivlüge" scheint, wenn sie erst im "kollektiven Gedächtnis" verankert ist, kaum mehr auszumerzen zu sein. Ebenso, wie es unmöglich scheint, die Menschen auf die Entlarvung solcher Lügen zu sensibilisieren. Muss die vermeintliche Wahrheit tatsächlich nur möglichst vielen zugänglich gemacht und schön verpackt werden, damit sie geschluckt wird? Steigt die Glaubwürdigkeit mit der Verbreitung und der Attraktivität der Darstellung?

Entlarven

Spätestens seit der Verbreitung des Fernsehens als Massenmedium ist offenkundig, dass die Akzeptanz der Nachrichten maßgeblich von der Quantität ihrer Verbreitung abhängt. Der Wahrheitsbegriff vieler Menschen scheint sich förmlich auf dieses Medium zu fokussieren. Alles, was im Fernsehen gezeigt wird, muss der Wahrheit entsprechen, sonst würde es ja nicht gezeigt werden. Dabei ist die Manipulation nicht selten durchaus plump und leicht zu durchschauen, denn oft sind es nur Bilder oder Versatzstücke von Bildern aus Archiven, die schon mindestens einmal für eine Sensation einzustehen hatten, und - in einem neuen Kontext aneinandergereiht - eine neue Meldung ergeben sollen. Meist wird dabei gar nichts veranschaulicht, sondern nur suggeriert.

Zugegeben: Es ist wesentlich einfacher, nur zu rezipieren ohne zu hinterfragen, als ständig über den Wahrheitsgehalt einer Meldung nachzudenken. Doch nur kritische Reflexion dessen, was nicht eindeutig beleg- und nachweisbar ist, kann verhindern, dass wir die Bilder, die uns gezeigt werden, irgendwann als absolute Wahrheit annehmen.

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