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Beruhigung

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Die österreichische Innenpolitik hat mit der sogenannten Semmeringtagung der Regierungspartei eine Beruhigung erfahren. Während bis dahin eine allgemeine Unsicherheit herrschte, die daraus resultierte, daß die breite Öffentlichkeit nicht wußte, wie der Regierungswagen wirklich bis zur nächsten Wahl kutschiert werden sollte, und auch über die Durchführung oder Durchführbarkeit der wirtschaftlichen Reorganisationsmaßnahmen ziemliche Zweifel bestanden, sind die Dinge nun etwas klarer, soweit es auf die Regierungspartei ankommt. Dies war um so wichtiger, als es bis dahin zahlreiche Unsicherheitselemente gegeben hat, die durch größere oder kleinere Ungeschicklichkeiten ständig genährt wurden.

Da ist zunächst einmal die offene Frage gewesen, wer weiterhin Bundeskanzler sein sollte. Schon die im Dezember 1966 vom Bundeskanzler geäußerte Absicht, seine Regierung umzubilden, stieß zunächst in allen Kreisen der ÖVP auf heftigen Widerstand. Die Frage trotzdem ein Jahr lang schweben zu lassen, mußte das Prestige nicht nur des Bundeskanzlers und der Minister, sondern auch der Regierungspartei merklich schwächen. Man hätte sich diesen Prestigeverlust ersparen können, wenn die Entscheidung, so oder so, schon Anfang 1967 gefallen wäre. Sie fiel erst, als gewisse Spannungen innerhalb der Regierung die Entscheidung unausweichlich machten. Dabei aber geschah der in breitester Öffentlichkeit diskutierte zweite Fehler, daß man aus diesem Anlaß mit der plötzlich in die Diskussion geworfenen „Hofübergabe“ die Möglichkeit einer weiteren Änderung in der Regierung, und zwar diesmal an der Spitze, in Aussicht stellte. Eine Regierungsumbildung — gleichgültig, ob sie für zweckmäßig oder unzweckmäßig gehalten wird — muß auf jeden Fall einen Zeitabschnitt einer gewissen Stabilität einleiten. Gerade diese notwendige Stabilität aber stellte man dadurch in Zweifel. Unnötigerweise geschahen aber auch noch andere Fehler. Die seit langem notwendige Reise des Bundeskanzlers nach Washington wurde durch die in der Öffentlichkeit nicht verstandene zusätzliche Fahrt nach Japan sofort zum Gegenstand heftiger allgemeiner Kritik. Dazu kam auf dem Felde der Wirtschaftspolitik, daß die unerläßlichen und für jeden einzelnen spürbaren Vorschläge des Finanzministers insofern einer öffentlichen Kritik unterzogen wurden, weil man es unterließ, die notwendigen Opfer durch konkrete Einsparungsmaßnahmen schmackhaft zu machen. Die einfache Verlautbarung, im Budget künftig nach Kräften zu sparen, war ohne konkrete Angaben, wie dies geschehen soll, für die öffentliche Diskussion zu wenig.

Auch sonst hatte die ÖVP, ganz im Gegensatz zum ersten Jahr der Alleinregierung, eine wenig glückliche Hand bei der Pflege der öffent-liehen Meinung. Die Vorarlberger Erklärung des Vizekanzlers über die Besteuerung der Politikerbezüge hat nicht nur seinem politischen Prestige geschadet, sondern der Opposition völlig unnötigerweise Munition für den nächsten Wahlkampf geliefert. Auch die ständige Wiederholung der Beteuerung, daß zwischen dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler keine Differenzen bestehen und sie nichts auseinanderbringen könnte, hat in der öffentlichen Diskussion eher negativ gewirkt; denn der Mann auf der Straße sagt sich begreiflicherweise, daß an den ständigen Gerüchten von Gegensätzlichkeiten zwischen Kanzler und Vizekanzler doch etwas Wahres sein müsse, sonst würde man nicht so oft das Gegenteil beteuern, noch dazu, wo es in früheren Regierungen nie notwendig war, solche Feststellungen zu treffen. Die Öffentlichkeit erinnert sich noch sehr gut des auch von der Sozialistischen Partei nie bestrittenen, weil nicht bestreitbaren, aber sehr wirksamen Wortes vom „Team Gorbach“. Warum, so fragt man sich, wird jetzt immer wieder von der bedingungslosen Zusammenarbeit zwischen Klaus und Withalm geredet, wenn angeblich ohnedies alles klappt? Die ÖVP hat in den letzten Monaten wiederholt das so notwendige politische Fingerspitzengefühl in der Einschätzung der öffentlichen Meinung vermissen lassen.

In allen diesen Problemen brachte nun die Semmeringtagung etwas mehr Klarheit: Die Regierungspartei kann sich darauf berufen, daß die von ihr getragene Bundesregierung ihre Arbeit bis zum nächsten Wahltermin fortsetzen wird, daß sich ihre Gruppen den Einsparungen im Budget nicht widersetzen werden und die vom parteipolitischen Gegner so sehnlich herbeigewünschte Spaltung in hündischen Interessen nicht stattfinden wird. Dazu kommt, daß es der Opposition mit ihrem für den Herbst angesagten Wirtschaftsprogramm sehr schwerfallen dürfte, glaubwürdige Erfolge zu erzielen. Einmal, weil dieses Programm viel zu spät auf den Tisch kommt, und zum anderen Mal, weil es zum sogenannten „Koren-Plan" kaum echte Alternativen geben dürfte.

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