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Gesunde gewerbliche W irtschaft

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An der Schwelle des neuen Jahres 1964 sieht sich Österreichs Wirtschaft nicht nur dem letzten Schritt in den großen europäischen Markt gegenüber, sondern auch vor einer Reihe innenpolitischer Aufgaben, die ihrer Natur nach auf das engste mit dem volkswirtschaftlichen Gesamtgefüge verflochten sind. Noch in den Novembertagen des sich nunmehr zu Ende neigenden Jahres waren wir von Optimismus und Zuversicht über das allgemeine Verständnis erfüllt, das uns von weiten Kreisen der Welt entgegengebracht

Raum blickt auf eine jahrhundertelange Tradition zurück und ist keine Erfindung jener Wirtschaftsexperten der kommunistischen Welt, die das neutrale Österreich zumindest in ökonomischer Weise an den heutigen Ostraum binden wollen. Die Situation, in der sich Österreich und auch Westeuropa dem Eisernen Vorhang Ungarns und der CSSR gegenübersehen, vermag sich über Nacht zu wandeln. Wie alles in der Welt hat auch ein Eiserner Vorhang keinen Ewigkeitswert. Wir Österreicher sind verpflichtet, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht für jede kommende Situation gerüstet zu sein. Konfrontiert man die Erleichterungen, die sich heute bereits zwischen Österreich und seinem nördlichen und östlichen Anrainerstaat im Reiseverkehr ergeben, mit den weltweiten Entspannungstendenzen und der Auflockerung im West- Ost-Gespräch, die dank der staatsmännisch einmaligen Geschicklichkeit des verewigten Staatspräsidenten John Kennedy zustande kamen, so gewinnt unsere Forderung nach einem freien Osthandel einen ganz neuen Akzent. Freilich sind es heute noch vielerlei Schwierigkeiten, die sich aus den östlichen Zahlungsmodalitäten ergeben und unserem Osthandel Schranken setzen. Aber, wie gesagt, morgen können wir neuen Situationen gegenüberstehen.

Unsere Glaubwürdigkeit in staatspolitischer Hinsicht gegenüber dem Westen und Osten wird um so mehr geschätzt und geachtet werden, je gediegener wir unsere innenpolitische Lage stabilisieren und die Nervenkrise der Koalitionspolitik von 1963 durch einen sanften geistigen Erholungsaufenthalt im Jahre 1964 zu kurieren suchen. Österreich ist nur dann innen und außen gefestigt, wenn wir den inneren Frieden durch ehrliche Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern gewährleisten. An Stelle der fruchtlosen Streitigkeiten um Positionen, die wertlos sind, wenn sie das Ausland jenseits der westlichen und östlichen Grenzen wird. Der tragische Tod des amerikanischen Präsidenten John F Kennedy hat nun den Lauf der Geschichte in eine Richtung gelenkt, deren Ziele und Auswirkungen für uns wir vielleicht noch gar nicht kennen. Es ist nur zu hoffen, daß Österreichs Probleme der Außenhandelspolitik wie bisher das Verständnis aller jener finden werden, die für unser zukünftiges wirtschaftspolitisches Schicksal mitbestimmend sind.

Unser wichtigstes außenwirtschaftliches Problem bleibt nach wie vor das Gespräch der österreichischen Bundesregierung mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Brüssel. Wir sind davon überzeugt, daß Österreich jede wirtschaftliche Isolierung vermeiden muß, um nicht eines Tages in Wehstand anstatt in Wohlstand zu erwachen. Wir sind geradezu verpflichtet, uns in den wachsenden Integrationsprozeß der gesamteuropäischen Wirtschaft einzugliedern und alle Anstrengungen zu unternehmen, um auch tatsächlich einbezogen und nicht links liegengelassen zu werden. Lange genug wurde in verschiedenen Sonntagsreden vom „Vorabend“ und der „Schwelle der Integration“ gesprochen, so daß nun endlich tatsächliche Verhandlungserfolge zu wünschen sind. Bundesminister Dr. Bock, in dem Österreich einen sach- und fachkundigen Anwalt bei den Assoziierungsverhandlungen gefunden hat, gab seiner Überzeugung Ausdruck, daß nunmehr nach dem 7. November 1963 die Assoziierungsform erstmals in ihrer Eigentümlichkeit konkret Gestalt annimmt. Ich begrüße das auch als Präsident des Österreichischen Wjrtschaftsbundes aufrichtig.

Wir sind der Überzeugung, daß die neu zu schaffende Assoziierungsform der EWG mit Österreich nicht einen derartig starren und unelastischen Charakter annehmen darf, daß unsere Handelspartner im Osten und Südosten brüskiert und die Ausbaufähigkeit unseres Osthandels ein für allemal verrammelt werde. Österreichs Handel mit dem slawischen nicht ernst nimmt, sollen wir vielmehr bemüht sein, eine echte Stabilisierung der Lohn- und Preispolitik auf dem von Altbundeskanzler Raab und Gewerkschaftsbundpräsident Benya aufgezeigten Weg zu realisieren. Die Beschlüsse der Sozialpartner entsprachen dabei dem Wunsch breitester Bevölkerungskreise nach dem sozialen Frieden und gedeihlicher Entwicklung der österreichischen Wirtschaft und erwiesen sich auf Grund der innenpolitischen Entwicklung als notwendig. Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen soll Vorschläge zur Lösung wichtiger wirtschaftspolitischer Probleme ausarbeiten und der Paritätischen Kommission vorlegen, die diese Vorschläge dann als Empfehlungen an die Bundesregierung weiterleiten wird. Die Beschlüsse der Sozialpartner sind in der öffentlichen Meinung unseres Volkes größtenteils positiv aufgenommen worden, wenn sie sich auch erst in Zukunft zu bewähren haben. Bewußt wurde das neue Gremium „Beirat“ genannt, weil es keineswegs ein wirtschaftliches Schattenkabinett, einen zweiten Ballhausplatz repräsentieren will.

Es ist bedauerlich, daß es aber in unserem Land noch immer Leute gibt, die das richtige österreichische Nationalgefühl nicht besitzen und allen Bemühungen verantwortungsbewußter Persönlichkeiten nur unsachliche Skepsis gegenüberstellen. Wir alle sollten froh sein, in Österreich leben zu dürfen, und stolz darauf, Österreicher zu sein. Wie viele Millionen Menschen auf der Welt wären glücklich, wenn sie in unserem Land leben und arbeiten könnten! Betrachte man doch die Entwicklung seit 1945, als Österreich nach Beendigung des zweiten Weltkrieges unter dem verstorbenen Bundespräsidenten Dr. Karl Renner und dem ersten Bundeskanzler unseres wiedererstandenen Staates, Ing. Leopold Figl, aus Trümmern und Elend den Wiederaufbau seiner neuen Existenz begann. Erinnern wir uns daran, unter welchen Schwierigkeiten nach Abschluß der fünf Lohn-Preis-Abkommen, die im wesentlichen ebenfalls die beiden großen Wirtschaftsgruppen vereinbart haben, die Stabilisierung eingeleitet wurde, bis schließlich Finanzminister Dr. Karnitz die Relation des Schillings zum Dollar mit 1:25 festlegte, die bis heute im wesentlichen unverändert geblieben ist und einen Gradmesser für das Ansehen unserer Währung im weltweiten Wirtschaftsraum darstellt. Entschieden hat damals der verstorbene Gewerkschaftsbundpräsident Johann Böhm zu dieser vorteilhaften Entwicklung beigetragen, indem er dafür sorgte, daß die Gewerkschaften zu einer ehrlichen Zusammenarbeit bereit waren. Auf dieser Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern basiert der wirtschaftliche Aufstieg des österreichischen Volkes.

Es ist meine Überzeugung, daß bei dieser Aufbauarbeit die gewerbliche Wirtschaft Großtaten vollbracht hat und nach wie vor einen der wichtigsten Grund- und Eckpfeiler der Volkswirtschaft und damit des gesamten Staatswesens darstellt. Der selbständige Unternehmer ist in einer Zeit der gesellschaftspolitischen Vermassung und wirtschaftlichen Kollektivisierung zum stärksten Träger der persönlichen Freiheitsideale geworden.

Programm und Ziel des Österreichischen Wirtschaftsbundes wird es daher auch in Zukunft sein, das Beste zur Erhaltung einer gesunden gewerblichen Wirtschaft wie auch der persönlichen Entfaltungsmöglichkeit des Unternehmers beizutragen. Von besonderer Wichtigkeit ist es, daß die vielen kleinen Handwerker und Kaufleute als integrierender Bestandteil unserer Wirtschaft erhalten bleiben und ihnen auch im Rahmen des gesamten Wirtschaftslebens ein gebührender Platz gesichert wird, damit sie im Jahre 1964 nicht nur ihre Existenz fundieren, sondern auch entsprechend ausbauen können. Das Hauptziel der österreichischen Wirtschaftspolitik im Jahre 1964 erblicke ich in der Erhaltung der Wertbeständigkeit unserer Währung. Die Budgetverhandlungen im Herbst des ablaufenden Jahres haben gezeigt, daß wir durch die langsame, aber ständig sinkende Kaufkraft des Schillings immer mehr in Schwierigkeiten auch im Staatshaushalt geraten sind. Die Folge sind höhere Soziallasten, höhere Löhne und Gehälter, die allein die gewerbliche Wirtschaft zu tragen hat. Für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft selbst ist dabei viel zuwenig übriggeblieben. Daraus entsteht die drohende Gefahr eines abnehmenden Sozialproduktes und steigender Lasten im Betrieb. Nicht zuletzt aber trifft die sinkende Kaufkraft der Währung den kleinen Sparer, der entmutigt und beunruhigt wird.

Eine wichtige Maßnahme zur Stabilisierung ist die so oft geforderte Sparsamkeit in der öffentlichen Verwaltung. Die Erfüllung des naturrechtlichen Subsidiaritätsprinzipes kommt meiner Meinung nach der Sparsamkeit im Staatshaushalt entgegen. Denn Maßnahmen, die von kleineren Gemeinschaften erfüllt werden können, sollen nicht die größeren belasten. Mehr Verantwortung und Aufgaben für Gemeinden und Länder, die dem Bund abgenommen werden, würden also nicht nur dem Föderalismus dienen, sondern auch den Staatssäckel entlasten. Überhaupt trete ich jeder Ausbreitung der Staatsmacht im Wirtschaftsleben entgegen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Gebietskörperschaften, mit Ausnahme gewisser elementaren Aufgaben, die der öffentlichen Hand obliegen sollen, im allgemeinen weniger gut wirtschaften als der private Unternehmer.

Eine Konsolidierung der österreichischen Wirtschaft im Jahre 1964 ist nur aus der Zu sammenarbeit der beiden großen Parteien und der Sozialpartner zu erwarten. Jede andere politische Konstellation würde einen Schritt ins politische Abenteuer bedeuten und müßte wieder zu jenen Ereignissen mit anderen Vorzeichen führen, die wir in der Ersten Republik miterlebten und aufrichtig bedauern. Selbst das zuweilen zitierte „Finis Austriae“, das Ende Österreichs, könnte damit heraufbeschworen werden. Gebe Gott, daß es zufolge der Einsicht aller Bürger im Staate dazu nicht kommt. Die Lehren der Vergangenheit sind eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit: Dies gilt für alle Österreicher, in jedem Lager, hüben und drüben.

Gehen wir also im Jahre 1964 mit Gott an die Arbeit, zum Wohle der Wirtschaftstreibenden, damit aber auch zum Wohle aller Arbeitnehmer in der gewerblichen Wirtschaft und nicht zuletzt zum Wohle und Gedeih unseres Vaterlandes.

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