Iran: Vom Schah zu den Mullahs
DISKURSIran: Hoffen auf Pragmatismus
Ein neuer Präsident steht an der Spitze des Landes, einer, der als Vertrauensmann der Mullahs gilt. Einher geht der Wechsel an der Staatsspitze mit lautem Säbelrasseln in der Region, aber auch mit Hoffnungen eines Neustarts in den Atomverhandlungen.
Ein neuer Präsident steht an der Spitze des Landes, einer, der als Vertrauensmann der Mullahs gilt. Einher geht der Wechsel an der Staatsspitze mit lautem Säbelrasseln in der Region, aber auch mit Hoffnungen eines Neustarts in den Atomverhandlungen.
Aus dem Iran kommende politische Signale wirken mitunter wie eine vermeintlich atonale Komposition: unvorhersehbar; manches passt auf den ersten Blick gar nicht zusammen. So wie jetzt auch: Einen neuen Präsidenten hat das Land, einen, der aus den Kreisen der härtesten Hardliner kommt und der die volle Rückendeckung der geistlichen Führung des Landes hat; im Iran selbst gibt es eine neue Welle an Protesten; in der Straße von Hormus gab es zuletzt wieder mysteriöse Angriffe auf Tankschiffe, die dem Iran zugeschrieben werden; zugleich aber dürfte das außenpolitische Ziel Nummer eins des Landes sein: die Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens. Das klingt wie diplomatische Zwölftonmusik, deren Harmonie sich nur aus der Distanz erschließt.
Der Unbekannte an der Spitze
Ebrahim Raisi heißt der neue Mann an der Spitze des Landes. Ein Mann, über den wenig bekannt ist. Nur so viel: dass er auf eine lange Karriere im Justizapparat des Mullah-Regimes zurückblickt. Eine Karriere, in der er auch für die massenhafte Hinrichtung politischer Gefangener verantwortlich zeichnet. 1988 hatte er als einer von vier Anklägern des sogenannten Todeskomitees fungiert, das tausende Menschen hinrichten ließ. Auch als Vertrauter des 1989 verstorbenen Revolutionsführers Ruhollah Khomeini gilt er. Dieser hatte ihn erst zum Spitzenbeamten im Justizapparat gemacht. Raisi ist ein Vertrauensmann aus dem innersten Kreis also. Aber sonst?
Für Adnan Tabatabai vom „Center for Applied Research in Partnership with the Orient“ (CARPO) ist nur eines klar: dass Raisi kein Reformer werden wird. Alles andere ist offen. Denn das Einzige, was man über Raisi wisse, sei eben, was über seine Rolle im Justizapparat des Iran sowie seine religiösen und gesellschaftlichen Funktionen in diversen klerikalen Organisationen bekannt sei. „Über den Politiker Raisi wissen wir noch nichts“, sagt Adnan Tabatabai. „Wir kennen seine innen- und außenpolitischen Visionen nicht.“ Alles, was sich aus seiner Wahl ableiten lasse, sei, dass das „politische Spektrum im Iran weit nach rechts gerückt ist“ und dass „die Prinzipientreuen wieder politisches Oberwasser haben im Iran“. Mehr aber auch nicht. Ausgeschlossen sei jedenfalls nicht, dass Raisi vielleicht „ein pragmatischer Kopf“ sein werde.
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