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Der Buhmann des Tiroler Schützenvereins

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Weilers Bilder erlauben uns, mit Natur (innerlich und äußerlich) in einen dichten und intensiven Austausch zu treten. In ihm zeigt sie sich ganz und vielgestaltig, vor allem: unerschöpflich sinnvoll. In ihm finden auch wir uns beteiligt und in gewissem Sinne zu Hause: die Natur und Du die gleiche Seele.” Das schreibt Gottfried Boehm, Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Basel über den bedeutenden österreichischen Maler Max Weiler im Vorwort des Weiler-Bildbandes „Aus der Natur gemacht”.

Das Lebenswerk Weilers umfaßt Tafelbilder, Aquarelle, Fresken, Mosaike, Glasfenster, Porträts, Landschaften, sakrale und profane Ikonographien, Zeichnungen, Studien und Druckgraphiken aus sieben Jahrzehnten. Des Künstlers Hauptinteresse richtete sich stets auf die Natur und auf christlich-religiöse Motive. „Wenn ich in der Natur stehe, so überkommt mich eine ungemeine Erhebung. Eine große Buhe strömt aus dem weiten, erfüllten Baum, die vollkommenste Zufriedenheit Freude des Aufgehens in einem ungeheuren, erhabenen Geschaffenen. Ungeheurer Respekt vor einer solchen Schöpferkraft. Grenzenlose Verehrung”, schrieb Weiler 1973.

Max Weiler wurde 1901 in Absam bei Hall in Tirol geboren. 1930 wurde er in die Akademie der Bildenden Künste in Wien aufgenommen und studierte in der Meisterklasse Karl Ster-rers. Zu jener Zeit entstanden großformatige Tafelbilder, ein Marienleben-Zyklus und Entwürfe für Kirchenfenster - Werke, in denen er metaphorisch seine Spiritualität umsetzte. Zugleich entstanden dezent expressionistische Aquarelle und Zeichnungen, die allein die Landschaft zum Inhalt hatten. Sterrer schrieb damals an Weilers Vater: „Geht er seinen Weg gesund weiter, müßte er zu einer bedeutenden Erscheinung in unserem Kunstleben werden.”

Er wurde. Doch zuvor verbrachte er die Jahre 1938 bis 1945 als I Iilfslehrer in Tirol, wo ihn niemand kannte, und als einfacher Soldat in der deutschen Wehrmacht. Nach dem Krieg begann Weiler, sich in seiner Malerei vom Gegenständlichen wegzu-entwickeln: Die Details verschwanden zusehends in einem expressiven Farbengeflecht; keine Konturen grenzten einzelne Farbflächen voneinander ab.

Weiler wurde schlagartig bekannt, als er mit seinen Fresken in der Innsbrucker Theresienkir-che (1945 bis 1947) den größten Kunstskandal in der jüngeren 'Tiroler Kunstgeschichte auslöste. Daß er Gott das Gesicht eines gewöhnlichen alten Mannes verlieh und die griechischen Gottheiten Neptun und Venus (ausge rechnet!) um das Kreuz Christi kreisen ließ, führte schon zu einem Sturm der Entrüstung. Daß Weiler die Kreuzigung kurzerhand nach 'Tirol versetzte und er einen Bauernbuben Christus die Lanze in die Seite stechen ließ, veran-laßte den Tiroler Schützenverein und Tiroler Bauern, die sich verunglimpft fühlten, gar gerichtlich gegen den Maler vorzugehen - übrigens ergebnislos.

In den fünfziger Jahren gestaltete Weiler das Innere von Kirchen und Kapellen, schuf Wandmalerien und Mosaike in öffentlichen Räumen. Die Serie der Ausstattungsarbeiten erreichte mit den Fresken in der wiederaufgebauten Bahnhofshalle in Innsbruck (1954/55) ihren Höhepunkt. „Aus Innsbrucks Hauptbahnhof wurde über Nacht gleichsam die meistbesuchte GemäldegalerieTirols”, schrieb damals der „Kurier” über das Echo auf die in der typischen Bildsprache jener Zeit gehaltenen Fresken. Während der fünfziger Jahre löste sich die räumliche Darstellung in Weilers Werken immer weiter auf. Die Formen und Farbflächen begannen sich einer gegenständlichen I-esbarkeit zu verschließen. Der 29-tei-lige Zyklus „Als alle Dinge...” (1961) schließlich ist in seiner Formensprache gänzlich der Abstraktion verpflichtet.

1964 wurde Weiler Hochschulpro-fessor und Leiter einer Meisterklasse für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Aus dem Wegbereiter der Moderne in Österreich und dem einstigen enfant terribk wurde ein Funktionär des Kunstbetriebes - mit den entsprechenden öffentlichen Anerkennungen: Der Große Österreichische Staatspreis (1961), das Ehrenzeichen des Landes Tirol (1970), die Ehrenmedaille in Gold der Bundeshauptstadt Wien (1987), das Große Silberne Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich (1995).

„Die Leute sehen mich so, wie ich um 1950 war. Das ist ein großer Fehler”, klagte Weiler einmal. Doch in jenem Jahrzehnt befand er sich ohne jeden Zweifel auf dem I Iöhepunkt seines Schaffens. Die Phase, in der sich ein Künstler auf der Höhe seiner Zeit befindet, dauert eben oft nicht lange.

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