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Symphonie der Farben

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Max Weiler, einer der Begabtesten der jüngeren Tiroler Künstlergeneration, der durch eine Gesamtausstellung im Innsbrucker Ferdinandeum und eine vielbemerkte Vertretung auf einer Wiener Ausstellung auf sich aufmerksam gemacht hat, ist trotz eines erfreulich jugendlichen Impetus zu einer Reife gediehen, die einen Namen neben den der besten lebenden Österreicher — wir haben leider nicht allzu viele — stellen läßt. Dies zu beweisen, war nicht erst die kürzlich erfolgte Verleihung eines Anerkennungspreises des österreichischen Staatspreises nötig, aber vielen daheim, wo bekanntlich kein Prophet etwas gilt, mag diese Geste doch etwas die Augen geöffnet haben. Daß Weiler vor einigen Jahrerfc eine ihm gebotene Ausstellungsmöglichkeit ablehnte, im Gefühl, noch wachsen und reifen zu müssen, hörte man mit Genugtuung. Diese selbstbescheidende Geduld hat sich denn auch gelohnt.

Als „revolutionär“ mögen Weilers farbige Gesichte vielleicht innerhalb unserer Grenzpfähle empfunden werden. Wer aber die Entwicklung in den großen Kunstzentren kennt, wird mir rechtgeben, wenn ich sage, daß der Maler, relativ gesehen, sogar konservativ genannt werden kann, im Sinne einer echt österreichischen Eigenart, als des Landes der Mitte, das jedem extremen Experimentieren von jeher abhold war. Max Weiler steht da in der

Tradition des großen Faistauer, und auch die Namen Wiegele, Kolig und Böckl müssen genannt werden, um seinen Standort näher zu umschreiben. Der Künstler malt weder konstruktivistisch noch absolut oder abstrakt, schon gar nicht surrealistisch, um ein paar „Ismen“ der völlig uneinheitlichen modernen Kunst zu bezeichnen.

Weiler hält sich an die konkrete Materie, entgegenständlicht nie wie die Abstrakten die bedeutungsvollen Weltformen, zerstört nie die Wirklichkeit zum Chaos oder entkleidet sie ihres humanen Gehaltes. Aber er transponiert die Wirklichkeit auf eine höhere Ebene, im Bewußtsein, daß abgeklatschte Wiederholung des Materiellen sinnlos wäre, er übersetzt die Natur ins Geistige und dies vor allem und fast ausschließlich m i t den Mitteln der Farbe. Das ist seine besondere Stärke: eine unerhörte farbige Glut, eine eruptiv ausbrechende, lavamäßig strömende Farbsubstanz von einer Leuchtkraft, die an alte Glasfenster erinnert. Es tönt eine beglückende, in Worten unsagbare Symphonie der Farben aus Weilers Werken.

Nur einige der im Innsbrucker Ferdinandeum ausgestellten Werke seien noch besonders hervorgehoben. Die prachtvollen Tuschzeichnungen, meist mit der Kielfeder flüssig aufs Papier hingesetzt, oft als „Übungen“ bezeichnet, zeigen am besten die immer wiederholte Bemühung Weilers um den Wahrheitsgehalt und Ernst seiner Kunst. Von den Bildnissen sei das Selbstpor-tät von 1949 genannt. Das Bildnis Prof. Burgha.rd Breitners hat gegenüber einem früheren Stadium im Atelier des Künstlers an charakteristischer Haltung, leuchtendem Kolorit und menschlichem Gehalt sehr gewonnen.

Von figurenbestimmten Kompositionen seien genannt das „K i n d e r 1 i e d“ von 1948, noch dunkler im Vortrag, dann das preisgekrönte ernste und ganz eigenständige Bild „Auf-erweckung des Lazarus“ von 1950 und der Freskoentwurf einer innigen M a-rienkrönung.

In der Fülle der Landschaften bestricken besonders die mit dem Hahn, dann „Der Frühling“, wo eine Hand in die föhnige Stimmung eine kecke, gelbe Schlüsselblume ins Bild hereinreicht, die „Mariahilfer Kirche“, „St. Jakob“ (ganz neu gesehen), ein Motiv aus Gerlos, die düstere Brücke von Roppen, das strahlende Phänomen eines Sonnenunterganges und die unerhört farbige Vision, wie Elias gen Himmel fährt. Von den Blumen endlich, die der Maler besonders liebt, heben wir hervor die Zinnien von 1948, die Mohnblume, einen Juwelenhaft leuchtenden Herbstblumenstrauß, besonders aber die Sonnenblume von 1949, die im expressiven Leben ihrer lichtsymbolischen Gestalt ah das berühmte Vorbild des zu Lebzeiten so verkannten und abgelehnten, heute unbezahlbaren van Gogh heranreicht.

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