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Eine Symphonie der Farben und Formen

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Auf einem Hügel über der 700 Jahre alten, weststeirischen Marktgemeinde Schwanberg steht die kleine Wallfahrtskirche zum heiligen Josef. Von außen wirkt die 1685 erbaute Josefikirche schlicht -nichts deutet auf die beeindruckende Farbsymphonie im Inneren hin.

Begonnen hat alles vor mehr als 40 Jahren, als sich die Kirche in einem bedrohlichen Verfallszustand befand, und der engagierte „neue” Pfarrer der Gemeinde, Alois Pola-schek, darum kämpfte, sie für die Nachwelt zu erhalten. Im Zuge der Renovierungsarbeiten entstand in dem aufgeschlossenen Pfarrer der Wunsch, den Innenraum von einem Künstler ausmalen zu lassen, um das Interesse für die Josefiverehrung neu zu erwecken. Er nahm Kontakt mit • dem damals 25jährigen Maler Ja kob Laub auf, der gerade sein Akademiestudium abgeschlossen hatte und mit seiner ersten Kin-zelausstellung aufgefallen war. Laub gehörte im Umfeld von Otto Mauer, Rudolf Szyszkowitz und Herbert Boeckl zu jenen Malern, die nach Kriegsende als eine Avantgarde christlicher Kunst auftraten.

Auf einer Studienreise in Paris war der junge Maler den Bildern Robert Delaunays begegnet, die ihn zutiefst beeindruckten. Delaunays malerische Ausdrucksweise - von dem Dichter Apollinaire ihrer Musikalität wegen „Orphismus” genannt-wur-de zum Vorbild für Laub. Für den aus Südungarn stammenden Künstler stand mit Auftragserteilung fest: Die Josefikirche mußte „orphisch”, also in Form einer poetischen Geistesbeschwörung durch Farbflächen, ausgemalt werden. Dadurch stellte er sich in Opposition zur ungegenständlichen Moderne der fünfziger Jahre: Laub befaßte sich mit Themen der Bibel und verwendete die menschliche Figur als erzählerisches Mittel.

1957 starb der Initiator des Projekts Alois Polaschek - kurz zuvor hatte er gerade noch das erste Teilstück (den

Triumphbogen und das Gewölbe des ersten Joches) gesehen. 1960 erfolgte dann die Einweihung des fertiggestellten Deckengewölbes. Damit war die Kirchenmalerei noch lange nicht vollendet. Aber der weniger kunstsinnige Pfarrer Allmer ignorierte dies -die unfertige Malerei geriet in Vergessenheit, als wäre der Maler frühzeitig verstorben.

Erst in den achtziger Jahren verstärkte sich in den Schwanbergern das Bewußtsein für die zeitgenössische

Wandmalerei: Es bildete sich ein Komitee zur Fertigstellung der Josefikirche unter der Leitung des ehemaligen Schuldirektors Alois Ircher. Man holte den mittlerweile 50jährigen Künstler erneut nach Schwanberg: Der Al-tarraum wurde fertiggemalt. 1983 kam es wieder zu einem unerwarteten

„Aus”. Die lange Geschichte der Malerei gelangte erst mit einem weiteren Pfarrer zum Abschluß. Als Anton Lierzer 1986 die Pfarrgemeinde übernahm, erkannte er die Bedeutung der Malerei in der Josefikirche-und setzte sich für die Weiterführung ein. Zum dritten Mal kam Jakob Laub, der jetzt in Bonn lebt, in die Steiermark. Die lange Geschichte der malerischen Ausgestaltung der Josefikirche fand ein glückliches Ende: 1995 hat der Künstler den letzten Pinselstrich auf die Kirchenwände gesetzt. Er sieht seine Bilder als „Beitrag zur Verehrung des Heiligen in unserem Jahrhundert”.

Beim Eintritt ins Innere der Kirche ist man als Besucher zunächst überwältigt von dem Fest der Farben und Formen. Selten hat man ein gelungeneres Zusammenspiel von Altem und Neuem gesehen. Das Alte ist gegenwärtig in dem Bau, den Altären und der Kanzel aus dem 18. Jahrhundert. Demgegenüber steht die „neue” Malerei Jakob Laubs - sie stellt die Beziehung zur Vergangenheit her.

Geglückt ist Laub besonders auch die intellektuelle Auseinandersetzung mit den religiösen Themen und deren visuelle Umsetzung in die freie Sprache der Malerei. Dazu der Künstler: „Die Malerei zeigt ihre Eigenständigkeit und gleichzeitig nehmen die Gestalten der abendländisch-christlichen Tradition ihren Anspruch auf Offenbarung wahr.”

Wer sich länger in der Kirche aufhält, dem begegnen in Form von Bildern unzählige Themen der Bibelgeschichte. An die 100 Themen hat Laub in vielen Einzeldarstellungen in die Sprache der Bildkunst umgesetzt. Pfarrer Lierzer und der Künstler sehen die Malerei in der Josefikirche als Begegnung von Beligion und Kunst: „Die religiöse Erzählung der Malerei folgt dem Wort der Bibel und führt einen der möglichen Sinnzusammenhänge des katholischen Glaubens vor Augen, und zwar als bildlich vereinfachtes Wort Gottes.”

Den Triumphbogen im Kirchenschiff hat Laub dem heiligen Josef als

Patron der Handwerker und Arbeiter gewidmet. Es zeigt „Josef als Zimmermann”, scheinbar auf einem Be-genbogen stehend, links und rechts von ihm „Jesus, das Lamm Gottes” und „Maria, die Lilie”.

Besonders gefallen haben die Fensterwände wie die „Paradieswand” und die „Genesiswand” rechts und links der Kanzel. An Hand von Einzelbildern, in deren Zentrum die große Hand Gottes steht, hat laub die sieben Tage der Schöpfung malerisch neu interpretiert. Beim Betrachten der Bilder hört man innerlich sofort die Textstellen aus dem Alten Testament, und doch vermag das Bild etwas Eigenes auszudrücken. Ähnlich ergeht es einem bei der Auseinandersetzung mit der Paradieswand. Man kennt die Geschichte vom einsamen Adam bis zur Vertreibung aus dem Paradies - in der farblich-sinnlichen Bildersprache erscheint sie jedoch in völlig anderem Licht. Die biblischen Themen bekommen durch die Kunst eine sprachlose Wirksamkeit. Auch wenn man die religiösen Sujets nicht kennt, überzeugt die Malerei.

Interessant ist die malerische Entwicklung des Künstlers: Obwohl sie in einem Zeitraum von 40 Jahren entstand, wirkt die Malerei in der Josefikirche einheitlich. Der Künstler ist seinem „orphischen” Konzept treu geblieben und hat sich doch im Laufe der Jahre gewandelt. Während die frühe Deckenmalerei der fünfziger Jahre geometrischer und statischer erscheint, hat sich der reife Maler der neunziger Jahre zu einer freieren und gewagteren Formensprache durchgerungen, die bewegter und zugleich stärker gegenständlich ist.

In der Josefikirche findet mit den Wandmalereien Jakob Laubs einer der interessantesten Dialoge zwischen zeitgenössischer Kunst und Kirche in Österreich statt. Wer je in der Nähe der Gemeinde Schwanberg ist, der soll den kleinen Anstieg auf einem Waldweg nicht scheuen und den Josefiberg besteigen. Der Aufenthalt in der Bergkirche entschädigt für den Fußweg: Bilder wie die „Geburt der Eva” oder „Der Kuß des Verrates” wird man so schnell nicht mehr vergessen.

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