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Die Epoche der big brothers

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Karl Bednarik, österreichischer Schriftsteller, Jahrgang 1915, Analytiker und Kritiker der Industriegesellschaft, mit dem Roman „Omega Fleischwolf“ einsamer Sozialrealist, als Essayist auf soziologische und sozialpsy-ehöloglschehemen sperfälisieW („Der Jiroge Arbeiter'.-.n der Konsumfront“, „Die Programmierer“, ,JMe Lerngesellschaft“), legt ein neues Sachbuch über ein Phänomen vor, welches uns heute täglich begegnet und der Deutung bedarf: „Die Krise des Mannes.“ Von der konservativen Anarchie Ernst Jüngers, bei der der Autor einst ansetzte, haben sich Denken und Stil BeÜnariks längst entfernt. Der nüchterne Prognostiker nimmt durch einen Beigeschmack des Wiener Feuilletonismus jene sympathischen Züge an, die vielen modernen Sachbuchautoren fehlen

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Karl Bednarik, österreichischer Schriftsteller, Jahrgang 1915, Analytiker und Kritiker der Industriegesellschaft, mit dem Roman „Omega Fleischwolf“ einsamer Sozialrealist, als Essayist auf soziologische und sozialpsy-ehöloglschehemen sperfälisieW („Der Jiroge Arbeiter'.-.n der Konsumfront“, „Die Programmierer“, ,JMe Lerngesellschaft“), legt ein neues Sachbuch über ein Phänomen vor, welches uns heute täglich begegnet und der Deutung bedarf: „Die Krise des Mannes.“ Von der konservativen Anarchie Ernst Jüngers, bei der der Autor einst ansetzte, haben sich Denken und Stil BeÜnariks längst entfernt. Der nüchterne Prognostiker nimmt durch einen Beigeschmack des Wiener Feuilletonismus jene sympathischen Züge an, die vielen modernen Sachbuchautoren fehlen

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Natürlich handelt es sich bei der „Krise des Mannes“ auch um eine Krise des Eros, die man, dem Zug der Zeit folgend, spektakulär überbewerten kann. Aber Karl Bednarik stellt sie in den richtigen Zusammenhang und macht sie dadurch erst glaubhaft. Im Gegensatz zu manchen anderen zeitgenössischen Publizisten sieht der Autor keine Morgenröte eines Matriarchats. Die führende Rolle in den neuen Gesellschaften geht nach seiner Ansicht an eine supermännliche, bürokratische Oberschicht über, die durchaus keine geistige oder menschliche Elite bildet. Die Epoche der „big brothers“ bricht an.

Diese Erscheinung trifft natürlich auch die Frau; um so mehr als sie immer stärker in die industrielle Arbeitswelt eintritt. Der Konflikt, der für die Frau dadurch entsteht, ist jedoch nicht annähernd von der Heftigkeit wie der des Mannes. Denn die Frau ist ihrem Wesen nach — so meint zumindest Bednarik — auf Passivität angelegt. Ihr fällt die Ein-und Unterordnung leichter. Sie findet sich damit ab, „gelenkt“ zu werden.

Für den Mann hingegen bedeutet die Einschränkung des Raumes, in dem er Aktivität bestätigt und entfalten kann, eine Vergewaltigung seiner Natur. Der Aggrrassionstrieb sucht sich neue Ventile. Die Brutalisierung vieler Bereiche des öffentlichen Lebens hat hier ihre Ursache. Sport, Wirtschaft, Kultur, Verkehr, Hobby werden zu Tummelplätzen einer unterschwelligen1 Grausamkeit, mit der der Mann seine „ohnmächtige Wut“ abzureagieren versucht. Die Krise ergreift auch die Autorität, die zur lästigen . Zwangsvorstellung wird.

Für die Demokratie bedeutet diese Entwicklung eine Gefahr, der zu begegnen der Autor mit seinem Buch einen Beitrag leisten will. Er appelliert daher an die Funktionsträger, die Aktivität nicht weiter zu usurpieren, sondern zu delegieren. Den Massenmedien käme die Aufgabe zu, dabei vermittelnd zu helfen. So wie viele Sachbücher, ist auch dieses eigentlich von hinten nach vorne geschrieben. Das heißt: dem Verfasser lag es primär — und legitimerweise — an der Schlußfolgerung. Von ihr aus baut er seine Thesen auf, für sie sammelt er Fakten und Zitate, notiert er nicht weniger als 280 Literaturstellen. Aus der Subjektivität solchen Zielstrebens macht er kein Hehl. „Es geht in diesem Buch nicht um die Darstellung von Ergebnissen einer ,wertneutralen' Wissenschaft, sondern um die Darlegung einer aus persönlicher Erfahrung gewonnenen .Vision' deir sozialen Wirklichkeit, die verglichen wird mit den wichtigsten in der gesellschaftlichen Diskussion hervortretenden Befunden der verschiedenen gesellschaftswissenschaftlichen Fachgebiete.“

Der Vargangsweise eines solchen Aufbaues entsprechend, wird das Nachwort zum Vorwort, dem noch eine „Aufforderung zur kritischen Demokratie“ folgt. Was wir als die „Krise des Mannes“ sehen, ist also durch die Brille Karl Bednariks gefiltert. Wobei kleine Unscharfen an den Rändern auftreten — und auch Anachronismen, die bewußt machen, wie schwierig ein dynamischer Prozeß zu fassen ist. „Nicht einmal in einem so .entmannten' Kleinstaat wje Österreich spielen Frauen eine führende Rolle; die wenigen Frauen in der Politik sind von den Männern der Parteisekretariate abhängig“, heißt es da auf Seite 39. Der kritische Leser wird zumindest Grete Rehor mit Fragezeichen an den Rand schreiben.

Der Stil des Buches weist Karl Bednarik als einen Schriftsteller aus, der seine Klugheit, seine scharfe Beobachtungsgabe und seine Belesenheit in eine klare, allgemeinverständliche und vor Mißdeutung gefeite Sprache umzusetzen weiß. Ein leidenschaftlicher Demokrat hat sich ein echtes Anliegen von der Seele geschrieben. Die Diskussion besitzt eine glaubwürdige Grundlage.

„DIE KRISE DES MANNES.“ Von Karl Bednarik. Im Verlag Fritz Molden, Wien—München—Zürich. 256 Seiten. S 150.50.

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