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PIERRE PFLIMLIN / DER MANN DER LETZTEN STUNDE

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Ei war in der Sacht vom 14, auf den IS. Mai: In dsn Wandelgängen dts französischen Parlaments spannen sich die Intrigen, hofierten die Kommunisten und priesen ihr Rezept einer Volksfront an, drohte die Rechte. Ein unsicherer Pinay wußte keinen Ausweg, Bidault rief nach de Gaulle, verschreckte Abgeordnete unterbrachen ihr Abendessen, das sie im Schutz der Bajonette einnahmen, Bin Napoleon hütte in diesem \ugen-bliek nicht getigert, das parlamentarische Regime tu stürten, da selbst die tur Hilfe aufgerufene Politii mit gewisser Schadenfreude dem forcierten Bad einiger Abgeordneter in der Seine tu-gesehen hätte.

Nur der Parteiehef des MRP, Pierre Pflimlin, handelte. Sr widerstand dem Druek der extremen Rechten, unterwarf sieh nicht dem Ultimatum der Ultras aus Algerien, sondern vermochte In kürzester Zeit die einzig mögliche Regierungskoalition herzustellen, die noch eine Aussieht besitzt, die französische Demokratie tu retten. Fr strahlte wie Immer Ruhe, Umsicht und Zuversicht aus und wurde damit die letzte Chance des französliehen Parlaments, wie ihm das sehen öfter vorher vorausgesagt wurde.

Der Verfasser dieser Zeilen hatte vielfach Gelegenheit, Pierre Pflimlin, de' \a auch In Wien nach seiner vielbeachteten Rede vor dem Weltkongreß der katholischen Presse im Herbst J957 kein Unbekannter ist, zu begegnen, Es sei nicht des blendenden Redners gedacht, der als geborener Elsüsser und Rechtsanwalt in Strasburg Deutsch und Französisch gleich gut beherrscht, nicht des ausgezeichneten Wirtschaft!- und Finanzsachverständigen, der bereits mehrfach die französische Wirtschaft und die Währung gerettet hat, sondern de? Menschen, der unbeugsam und ohne Konzessionen zu machen, die einmal als richtig erkannte Politik mit Leidenschaft verteidigt und mit Tatkraft durchzusetzen versteht.

„Mein Programm wird ebenso hart sein wie mein Charakter“, rief er aus, als er durch den Präsidenten der Republik zum Chef der Regierung designiert wurde, Trotz der Härte dieses Charakters ist er eine der wenigen scharf profilierten Persönlichkeiten der IV, Republik, der so gut wie keine persönlichen Gegner in der Kammer und in der öffentlichen Meinung besitzt. Wohl wurde eine zweimalige Kandidatur als Ministerpräsident durch die Sozialisten abgewehrt. Aber da spielten die atavistischen antiklerikalen Ressentiments viel eher eine Rolle als die zu erwählende Persönlichkeit. Pierre Pflimlin Ist kein Mann der Gefühlt. Fr appelliert via eher an die Tatsachen wirtschaftlicher und finanzieller Natur, Man hat ihn des Öfteren mit Mendis-France verglichen, wobei als einziger Unterschied angeführt wurde, Pierre Pflimlin gehe in die Kirche, Aus der persönlichen Kenntnis der beiden Persönlichkeiten kann gesagt werden, daß dieser Vergleich sehr oberflächlich ist und nicht zutrifft. Auf der einen Seite steht ein blendender und schillernder Politiker, der aus der Tiefe seines persönlichen und sichtbaren Ehrgeizes schöpft, Pierre Pflimlin dagegen umreißt die Probleme, schlägt Lösungen vor, ohne sich durch seine Tätigkeit tu eng mit diesen Problemen zu identifizieren. Er versucht viel eher mit sachlichen Argumenten zu überzeugen, wo Mendes-France die schnellen Effekte sucht. Es wäre ganz ausgeschlossen, daß Pierre Pflimlin eine Wette eingeht, an einem gewissen Tag den Frieden in Algerlen herzustellen,

Mit Pierre Pflimlin haben die katholischen VOlksrepublikaner einen Chef herausgestellt, der als Mann der Mitte und des Ausglelehs prädestiniert erseheint, die unerhörten Gegensätze der Nation zu überwinden, und der auch genügend Eigensinn entwickeln wird, um die so lang ver-sprochenen und dringenden Reformen des Staates in die Wege zu leiten. Es ist Immerhin erfreulich, daß die Volksrepublikaner einer noeh relativ lungen Persönlichkeit die Möglichkeit der politischen Entfaltung gegeben und nicht Im falschverstandenen Konservatismus sich von der von Zeit zu Zeit Immer notwendigen Regenerierung jedes Parteiapparats abgeschirmt haben,

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